Tag 1
Ein Erlebnis-Bericht von „Sam On The Rocks“
Sternzeit 2019 am 20sten Tag des Junis, an welchem wir uns um 5 Uhr morgens aus den Federn schälen, die letzten Sachen im Festival-Mobil verstauen und uns bei aufgehender Sonne auf den Weg in ein kleines verschlafenes Nest im Siegerland machen. Wir schreiben das Jahr 8 nach der Entstehung dieses kleinen Parallel-Universums auf dem Innenhof des AWO Geländes in Netphen-Deuz bei Siegen. 8 Jahre voller großartiger Live-Musik aus der gesamten Welt, welche von einem kleinen Stamm, sich dem Mainstream entgegensetzenden Musikliebhaber*innen, in leidenschaftlicher liebevoller Arbeit auf die Bühne gebracht wird.
Nach knapp dreieinhalb Stunden Fahrt erreichen wir unser heiß ersehntes Ziel:
Das Freak Valley Festival!
Bei bis dato noch bestem Festival-Wetter – leicht bewölkt mit zarten Sonnenstrahlen bei 19 Grad – parken wir ein und organisieren unser Gepäck für die bevorstehenden 3 Tage. Nach einem ausgiebigem Mittagsstück rüsten wir uns mit Kameras und analogem Notizblock. In diesem Jahr gibt es noch kurzfristige Änderungen, so sollte die Band Duel, die eigentlich am Samstag spielen sollte, nun am Donnerstag vor Valley Of The Sun den Startschuss geben, weshalb die Tore sich eine halbe Stunde eher öffnen sollten. Doch es kommt erneut anders, denn Duel wurden nicht in den Flieger gelassen, aufgrund von teilweise abgelaufenen Pässen. Und man denkt sich „oh diese Musiker…“. Also bleibt es bei 15 Uhr für den Einlass in diese ganz besondere Dimension.
Bereits am Portal trifft man die ersten bekannten Gesichter, fällt sich in die Arme und fiebert den kommenden Stunden und Tagen gemeinsam entgegen.
Das Tor öffnet sich, und bereits auf den ersten Metern tauchen wir wieder in diese vollkommen eigene Welt ein, und es fühlt sich an, wie Nachhause kommen.
Die hellgrauen Wolken werden zu weißen Wölkchen und die Sonne tut ihr bestes um die Temperaturen leicht anzuheben. Alles passt, und das Line up heute tut sein Übriges, denn alleine 5 der heutigen 8 Bands stehen ohnehin schon auf meiner Favoritenliste. Auf dem Weg zur großen Bühne treffen wir wieder Freunde und Bekannte, tauschen Umarmungen und Neuigkeiten, Anekdoten und „Familiengeschichten“ aus.
Um 15 Uhr ist es dann soweit. Wir stehen vor der großen Bühne uns warten auf diesen ganz besonderen Moment, wenn der bärtige Mann mit der grauen Kappe auf die Bühne kommt und bereits unter dem ersten Jubel der Anwesenden die wohl bekanntesten Worte spricht, wie der Papst von der Kanzel „Hallo Freunde!“ Ja, wir sind Zuhause! Und Volker heißt die Gäste willkommen auf dem diesjährigen Freak Valley Festival „und nun für Euch aus Ohio, Valley oft he Sun, VIEL SPASS!“ Volker ist das Gesicht dieses Festivals, der Mann, den wirklich jeder liebt und kennt, die gute Seele ohne den keine Band auf die Bühne darf. Eine hat den Fauxpas einmal begangen, und hat vom Publikum eine lautstarke Quittung dafür bekommen.
Valley Of The Sun lassen nun die ersten kraftvollen Töne des Tages erklingen. 2015 standen sie noch zu dritt auf der kleinen aber feinen Wake & Bake Bühne, jetzt sind die Vollblut-Stoner aus dem fernen Ohio zu viert zurück auf der großen Main-Stage. Bereits beim ersten Song wird ohne Kompromisse klar gemacht, dass sie des Frosches Locken zu einer wehenden Glatthaarmähne pusten werden. Stoner-Rock in tiefster Reinform.
Das Infield ist für diesen frühen Zeitpunkt bereits erstaunlich gefüllt, fast schon so, wie sonst bei den frühen Headlinern am Abend. Die Haare fliegen, die Schlaghosen flattern, allerdings nicht nur durch den kräftigen Sound, sondern weil das Wetter anscheinend auch seinen Spaß haben will. Es wird windig und es zieht sich etwas zu am Himmel. Der Menge vor der Bühne ist dies jedoch ziemlich egal, bis zum Ende blieben sie trotz einsetzendem Regen beharrlich dabei, um mit Valley Of The Sun den Beginn eines wunderbaren Wochenendes zu feiern.
Nach knapp 50 Minuten ist dieser erste Moment dann leider schon vorbei, und es wird schnell umgebaut für die vier Schwestern von Stonefield aus Melbourne. Leider kann ich nicht genau sagen, ob es an dem nieseligen Geplätscher vom Himmel, oder an den Mädels selbst gelegen hat, aber über ein redliches Bemühen schaffen sie es nach meinem Empfinden nicht wirklich hinaus. Sie sind hübsch anzusehen und spielen technisch absolut kritikfrei. Ihre mit Synthies arrangierten Songs wollen dennoch irgendwie nicht in einen mitreißenden Seventies Groove münden, sodass sie für mich an diesem Tag leider am Ende der High Light Liste stehen werden.
Band: Stonefield Bilder: Django Foto
Und so ist das Erfreulichste hier leider, dass der Regen abebbt und versiegt, bevor Spacelug aus Polen die Stage zu ihrer machen. Vor der Bühne wird es wieder merklich gedrängter, denn allem Anschein nach darf es heute auch gern mal eine Spur härter sein. Ich würde es als dornigen Stoner mit starken Anleihen im Metal und mit einer Spur Progressivität betiteln wollen. Und auch wenn der Bass mich durchaus triggert, so quält mich im Hinterkopf die Frage, warum man denn immer so schreien muss, wenn es gesungen doch viel entspannter klingen würde.
Doch dies ist seit einigen Jahren mein ganz persönliches Problem, und hat nichts mit der Qualität der gerade spielenden Polen zu tun. Ohnehin gibt der Jubel vor der Bühne der Band Recht, und deshalb halte ich mich wohl besser zurück.
Band: Spacelug Bilder: Django Foto
Ein Radler später ist es dann auch schon Zeit für eine Band auf die ich wiederum sehr neugierig bin. The John Fairhurst Band vom Brexit-Island, eine durchaus besondere Blues-Rock-Band mit klarer politischer Attitude. Und genau hier finde ich das, was mir bei den beiden vorigen Bands ein wenig gefehlt hat: Den Groove! Johns erdige Stimme krönt das musikalische Arrangement aus Blues, Country und kurvigem Rock, der rollt wie eine Dampflock durch den staubigen wilden Westen. Die fast schon an indianischen Gesang erinnernden Passagen, welche quasi vom Takt des Schlagzeugs und den vibrierenden Saiten getragen werden, stecken die Menge vollkommen an und bewegen selbst die steifsten Hüften. Die glücklich lächelnden Gesichter strahlen fast heller als die sich langsam neigende Sonne. Könnte es noch besser sein? Der Moment sagt Nein, aber der Abend hat noch viel Spannendes zu bieten. Sogar noch mehr, als man erwartet hätte.
Band: The John Fairhurst Band Bilder: Django Foto
Eigentlich wären nun The Obsessed an der Reihe gewesen. Die Ultra-Doomer um Scott Weinrich wurden heiß erwartet, und sicherlich war es ebenso enttäuschend, dass sie nun doch nicht auf der Bühne stehen können, denn die gesamte Tour wurde abgesagt. Doch das Valley wäre nicht das Valley, wenn es nicht innerhalb kürzester Zeit eine großartige Ersatz-Band aus dem Hut gezaubert hätte. Und so kamen kurzerhand aus den benachbarten Niederlanden keine Geringeren als DeWolff ins Freak Valley.
Für mich persönlich ist dies quasi das Sahnehäubchen des Tages. Hier stimmt einfach alles, was Blues-Rock braucht um richtig Spaß zu machen. Mit Schlagzeug, Bass, Gitarre, Hammond Orgel und einem erstklassigen Gesang legen sie die Latte auf die Oberkante der Bühnentraverse. Retro und dennoch zeitgemäß, teils bluesig tragend und dann wieder mit Kick Ass auf die Zwölf. So geht das und so muss das.
Band: DeWolff Bilder: Django Foto
Leider ist dieser Auftritt viel zu schnell vorbei, und so nutzen wir die Umbaupause für weitere Gespräche mit Freunden und Bekannten, und fangen einige Impressionen in Bildern ein.
Bilder: Django Foto
Inzwischen ist es auch endlich dunkel, der Platz ist knüppelvoll ohne dass man sich beengt fühlt. Die Stimmung ist glücklich entspannt und dennoch zum zerreißen gespannt, denn nun kommt der Mann auf den so viele wirklich lange gewartet haben. Nicht auf dem Rock am Ring, nicht auf dem Hurricane, nicht auf einem der anderen zig-tausender Festivals, sondern hier im kleinen beschaulichen Freak Valley in Netphen: Brant Björk himself! Der Mitbegründer des Desert- und Stoner-Rock steht jetzt hier auf der Bühne. Zwei Jahre nachdem John Garcia mit Slow Burn für einen ganz besonderen Moment im Valley sorgte, wird er jetzt für einen weiteren sorgen. Es ist fast surreal, denn er betritt die Bühne nahezu schüchtern und zurückhaltend, und ebenso beginnt der erste Song unter markantem Begrüßungsjubel.
Band: Brant Björk Bilder: Django Foto
Erdig, staubig, trocken, wie Desert-Rock einfach sein muss, und dennoch treibend rhythmisch und eingängig. Als wenn dies aber nicht schon besonders genug wäre, hat Brant Björk auch noch eine hochkarätige stimmliche Überaschung mit dabei, denn kein Geringerer als Sean Whealer von Throw Rag steht auf einmal mit auf der Bühne. Und auch, wenn man wirklich getreu dem Valley-Motto „No Fillers – Just Killers“ sagen muss, dass bisher wirklich noch keine Band in all den Jahren schlecht gewesen wäre, so merkt man doch schon sehr deutlich, dass hier gerade auf das Dach der Qualität noch einmal ein Stockwerk drauf gebaut wird. Und auch ich kann mich nicht von einer gewissen Ehrfürchtigkeit freisprechen, waren es doch Kyuss, die mich in jungen Jahren auf den wahren Pfad der Musik gebracht haben. Umso erstaunlicher erscheint es mir, wie fast schon kumpelhaft er auf der Bühne wirkt. Müsste ich es kulinarisch beschreiben, dann wäre es ein perfekt gegrillter Burger zu dem ein erstklassiger Whisky gereicht wird. Was soll denn jetzt schon noch kommen?
Nicht aus Übersee, nicht aus Australien oder Tokio stammt das Trio, sondern einfach aus dem bodenständigen Hessen. Bodenständig ist ihre Musik allerdings überhaupt nicht, im Gegenteil. Die Acid-Rock-Formation bewegt sich in vollkommen abgespacten Sphären. In diesem Jahr feiern sie sogar noch ihr zehnjähriges Jubiläum, in welchen sie sagenhafte 11 Alben, eine EP und zwei Split-Alben veröffentlicht haben. Und wie es sich bei grandiosem Space-Rock gehört ziehen heftige Nebelschwaden über die Bühne, welche nur ganz spartanisch in tief blaues Licht gehüllt vage den Blick auf die drei Musiker frei geben. Während Komet Lulu und Sulu Bassana knieend an ihren Saiten und Effektgeräten die ersten Klangwände entstehen lassen, sorgt Pablo Carneval am Schlagwerk für den taktischen Rahmen. Ich muss zugeben, ich habe selten eine cooler wirkende Frau an einem Saiteninstrument gesehen. Lulu scheint mit ihrem Bass quasi verwachsen zu sein und die Eastwoodsche Kippe im Mundwinkel tut ihr Übriges für dieses Bild. In diesem Moment drängt sich mir nur der Gedanke auf, was wäre, wenn Lulu und Orianthi zusammen jammen würden… Doch was nicht ist, wird schnell verdrängt von dem was real ist. Und das ist der sphärisch treibende, die Masse hypnotisierende Sound von Electric Moon, welcher den göttlichen Abschluss eines nahezu perfekten ersten Tages im Valley bildet. Und so beschließen wir den Abend glücklich lächelnd und sind gespannt auf die folgenden beiden Tage.
Band: Electric Moon Bilder: Django Foto