Freak Valley Festival 2023

Ein Erlebnis-Bericht von „SAM on the Rocks“

Wir schreiben das Jahr 2023, das Jahr in dem wir gemeinsam mit 2500 Freaks das 10. Jubiläum des
legendären Freak Valley Festivals feiern werden. Zehn Jahre vollgepackt mit Geschichten, Begegnungen,
unfassbar großartiger Musik, inszeniert von einem einzigartigen Team …. ach was schreibe ich… einer
einzigartigen Familie aus musikverrückten leidenschaftlichen Menschen, die es so vermutlich kein zweites
Mal auf diesem Planeten gibt. Menschen, die alle Höhen und Tiefen gemeinsam durchgestanden haben um
einen Ort zu schaffen, der absolut einzigartig ist. Von diesen 10 Jahren haben wir das jährliche Finale neun
Mal live miterleben dürfen, und sind dankbar für jede einzelne Minute und jeden Moment.
In diesem Jahr machen wir uns ein wenig früher auf den Weg und starten unsere Anreise aus Bremen bereits
am Mittwochabend in Richtung Netphen/Deutz. Die aktuelle Tageshitze und die Streckensperrung auf der
A45 sind durchaus nicht unrelevante Gründe dafür die nächtliche Anreise vorzuziehen. Exakt um Mitternacht
erreichen wir diesen Herzensort auf dem AWO Gelände. Den Crafter geparkt, das Bett gerichtet und zügig
eingeschlafen, damit ganz schnell der erste Morgen Freak Valley anbrechen kann.


Tag 1 im Valley – Donnerstag
Dieser Donnerstag startet ebenfalls mit wunderbar strahlendem Sonnenschein und leichten weißen Wolken
über dem Festivalgelände. Mit frischem, heißen Kaffee und Pancakes zum Frühstück machen wir uns fit,
denn als erstes geht es auf den Berg um auf dem Campground Freunden und Bekannten Hallo zu sagen. Hier
oben glüht es bereits vom Himmel, aber die Stimmung ist wie immer erfrischend großartig. Auf dem Weg
zurück sammelt Melanie uns mit ihrem Auto ein und erspart uns ein wenig Laufstrecke. Laufen werden wir in
den kommenden Tagen sicherlich ohnehin noch mehr als genug.

Und dann läuft der Countdown unter dem schon altbekannten Traversen-Torbogen, wo wir bereits unsere
„Festival-Tochter“ Zoe und weitere Freunde und Kollegen begrüßen. Zehn, Neun, Acht…. Drei, Zwei, Eins…
Und los geht es! Drei Tage non stop im Valley.
Es ist einfach wunderbar wieder hier zu sein, in diese einzigartige Atmosphäre einzutauchen und die ganzen
wunderbaren Menschen wieder zutreffen, die das Valley einmal im Jahr bevölkern, und diejenigen, die das
alles erst möglich machen.
Trotz aller Euphorie vermisse ich dennoch seit ein paar Jahren die morgendliche Wake & Bake Stage, auf der
man nicht selten großartige noch nicht ganz so bekannte Bands entdecken konnte. Aber sei es drum, es geht
ja leider auch irgendwie ohne. Dennoch hoffe ich darauf, dass sie irgendwann wieder da sein wird.
Pünktlich um 16 Uhr betritt der Mann die Bühne, ohne den hier einfach keine Band auch nur einen Ton
spielen kann und darf: Volker! „Hallo Freunde“ schallt es über den bereits jetzt schon gut gefüllten Platz, und
„Hallo Volker“ schallt es unter Jubel und Applaus zurück. Und dann sagt er uns in seiner gewohnt liebevoll
trockenen Art die erste Band des Tages an. Tuskar, das Sludge/Doom/Stoner Duo aus Buckinghamshire,
England startet kraftvoll doomig schleppend und mit sattem Sound in den ersten Tag. Der Gitarrist lebt und
fühlt optisch jeden Ton körperlich mit und verliert sich regelrecht in seinem Spiel, während der Drummer
neben seinem eindringlich shoutigem Gesang mit den Kesseln eine wechselnde Symphonie aus einem zu
schwer beladenem Tanker und einem Speedboot inszeniert. Teilweise prügelt er auf die Drums ein, dass
man Angst bekommt, er könnte die Toms mitsamt des Bühnenbodens gen Erdmittelpunkt hämmern. Ein
amtlicher Start in diesen ersten Nachmittag.

Die Schlange bei der Chip-Auflade-Station wird länger und länger, es gibt wohl Probleme mit den ECAufladungen. Ein Problem, was es schon im letzten Jahr gab, aber eben wohl der Deutschen Digitalisierung
geschuldet ist. Man wird es sicherlich auch dieses Jahr in den Griff bekommen. Das tut der Stimmung aber
keinen Abbruch, und ich hatte ohnehin schon meinen Chip ganz zu Beginn aufgeladen. Mit frischem
Kaltgetränk werden nun wieder Freunde und Bekannte begrüßt und neue Bekanntschaften geschlossen.
Als Nächstes folgen Astroqueen aus Schweden auf der Bühne. Sie spielen erwartungsgemäß eine Menge
ihrer alten Songs ihrer inzwischen bereits 25jährigen Bandgeschichte, und dazu gesellt sich das eine oder
andere neue Stück. Musikalisch zwar meinerseits kritikfrei, allerdings wirkt die Band, und vor allem die
Bassistin, extrem lustlos. Für mich eine angenehme fuzzy-Stoner-Hintergrundbeschallung zu den ersten
längeren Gesprächen. Und auch, wenn das jetzt irgendwie schräg klingen mag, ich habe die Zeit sogar dafür
genutzt das wunderbare Ehepaar auch in diesem Jahr wieder zu begrüßen, und ein Schwätzen mit ihnen zu
halten, die stets engagiert und bis zur Erschöpfung für jederzeit saubere sanitäre Anlagen im AWO-Gebäude
sorgen. Ohne solche tollen Menschen funktioniert so ein Festival einfach nicht, und deswegen muss man
auch sie immer wieder lobend erwähnen!

In der Zwischenzeit haben Besvärjelsen, ebenfalls aus Schweden, die Bühne eingenommen. Etwas Doom lastig startet die Band, die im atmosphärischen Heavy-Rock mit 70s Touch beheimatet ist. An dieser Stelle komme ich nicht umhin die Sängerin in den Fokus zu stellen, welche allein schon rein optisch durchaus ein Hingucker ist. Stimmlich, wie auch musikalisch bleibt allerdings auch diese Band bei mir persönlich eher im oberen Mittelfeld hängen. Aus Schweden bin ich durchaus Eindrucksvolleres gewohnt, was aber nur meinem persönlichen Geschmack geschuldet ist.

Und obwohl ich auch nicht unbedingt der Glam-Rock-Fan bin, trifft die nächste Band bei dem Wort
„eindrucksvoll“ bei mir voll ins Schwarze. Komodor sind rein optisch ein männliches Schnittchen-Quintett im
70s-Glam-Style, und einem satten groovenden Mix aus 70s Retro/Glam-Rock mit funky-Elements. Dazu
präsentieren sie eine extremst unterhaltende Bühnenshow, welche mit absoluter Spielfreude und
perfektionierten Posings gespickt ist. Bei dieser Band haben MusikliebhaberInnen, Fotografen und im
Grunde eigentlich jede/r Spaß an dem was man hier geboten bekommt. Für mich das erste richtige High
Light dieses Tages, so muss eine Rock-Show aussehen.

Jetzt steht die nächste durchaus besondere Band auf dem Spielplan. Mit El Perro haben wir nun schon sowas
ähnliches wie eine All-Star-Band auf der Bühne. Parker Griggs von Radio Moscow und Dorian Sorriaux,
ehemals Blues Pills, spielen gemeinsam in dieser brandneuen Bandkonstellation einen mehr als
beeindruckenden Psychedelic-Rock-Sound, welcher wirklich nahezu den gansamten Platz vereinnahmt. Wer
hier was zu mäkeln hat, dem ist schlicht nicht mehr zu helfen. Grandiose Kompositionen, die brillant in
Perfektion gespielt werden. Eine musikalische Sahnetorte, die obendrein auch gesanglich keine Wünsche
offenlässt. Diese Band wird man sich definitiv merken müssen, und hoffentlich noch zahlreiche Songs und
Alben produzieren. Bands wie diese sind der Inbegriff vom Freak Valley, eine weitere schillernde Perle in der
langen Kette von absolut herausragenden Bands in der Geschichte dieses Festivals.

Mit der nun folgenden Band, oder besser dem Duo „Urlaub in Polen“ wird mich zukünftig wohl eine Art Hass Liebe verbinden. Mir war das Duo bis dahin vollkommen unbekannt, umso erstaunter bin ich über den
vorletzten Spiel-Slot des Tages. Irgendwo zwischen Amon Düül und Dyse würde ich diese eher experimentell
daherkommende Kraut/Synthie/Irgendwas Kombination einordnen. Nur zu Zweit schaffen sie mit Drums,
Gitarre, Synthies und Sequenzern eine sphärische Klangwelt zwischen Space und Kraut, die nach Gras riecht,
sich betäubend um die Gehirnwindungen schlängelt und die Extremitäten zum mitschwingen bringt. Diese
im Verhältnis gesehen noch nicht so bekannte Band auf den Co-Headliner-Slot zu setzen war auf der einen
Seite vermutlich sehr mutig, allerdings auch irgendwie verständlich, denn bei Tageslicht hätte das
möglicherweise nicht so eindrucksvoll funktioniert. Ich bin mir bis jetzt noch nicht sicher, ob mir das jetzt
endgültig gefällt, denn ab irgendeinem Zeitpunkt fängt es dann doch an mir auf die Nerven zu gehen.
Vielleicht aber auch nur, weil der letzte Song sich ohne viel Dynamik fast schon endlos in die Länge zieht, und
ich endlich Clutch sehen will.

Seit ich Clutch 2014 im Grünspan gesehen habe hat sich anscheinend aber einiges verändert, und das nicht
zum Besseren leider. Neil ist inzwischen anscheinend der Einzige, der sich noch auf der Bühne bewegt, alle
anderen wirkten fast schon wie bewegungslose Pappaufsteller. Und die Songauswahl der ersten 40 Minuten
erinnert auch eher an die eines überengagierten Wanderpredigers. Mit der groovenden Band-Dampfwalze
von 2014 hatte das nicht mehr viel gemein. Neil gibt immer noch Gas, aber einige der Songs sind einfach nur
noch wie druckvolle Erzählungen, die bei Weitem nicht mehr diese widerspruchslose Macht besitzen das
Publikum mitzureißen wie ein Tzunami. Also entschieden wir uns für eine Stunde mehr Schlaf, um den
absolut vollgepackten nächsten Tag halbwegs ausgeruht entgegen treten zu können.

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Tag 2 im Valley – Freitag

Vollkommen entspannt, und nach dem obligatorischen Morgen-Kaffee beginnt der zweite Tag mit OrsakOslo, die mit einer Mischung aus Psychedelic/Space/Heavy-Rock eine gechillt, und dennoch rockige
Atmosphäre schaffen, die den Tag nicht besser beginnen lassen könnte. Bei unbändigem Sonnenschein
begeistert die Schwedisch/Norwegische Band mit einer fast schon Helium-artigen spielerischen Leichtigkeit
und perfektem Sound. Sphärisch, psychedelisch und dennoch gleichzeitig mit einer smarten Rock-Attitude
garniert präsentiert sich die Band sympathisch, höflich und durch brillant tightes Spiel. Die Songs tragen uns
von gechilltem Mitwiegen bis hin zu kurzen exzessiven Ausbrüchen, die zum Haare werfen einladen.
Eigentlich hätten Orsak Oslo einen weitaus späteren Slot im Line up verdient, sind aber zu diesem Zeitpunkt
dennoch grandios positioniert. Ein wundervoller Tagesauftakt ohne jedwede Kritik.

Mit dem nächsten erfrischenden Kaltgetränk und nach weiteren Begrüßungen ist dann aber Schluss mit
chillen, denn nun geht es eine ganze LKW-Ladung heftiger in die nächste Runde. Als Wachmacher
präsentieren Earth Ship ihre Version von druckvollem Sludge, brachialem Gesang und einer überraschend
sphärische Melodien „singenden“ Gitarre, welche sich auf eindrucksvolle Weise in dieses Konstrukt einfügt.
Widersprüchlich? Im Gegenteil, es passt perfekt zusammen. Seit 2011 gibt es das Berliner Trio bereits,
welches seitdem mit sechs Alben aufwarten kann, denen hoffentlich noch einige folgen werden.

Dann stehen „meine“ Lieblings-Blues-Rocker von Kamchatka auf der Bühne. Freundlich, höflich und
sympathisch wie die Schweden sind, rocken sie uns groovend durch die Nachmittagshitze. Bei mir ist kein
Halten mehr und die Haare fliegen wieder. Ein Träumchen von dem ich jedes Mal wieder hoffe, dass deren
Auftritte nicht enden mögen. Diese drei wirklich herausragenden Musiker reißen einfach mit, durch ihre
unbändige Freude, die spielerische Leichtigkeit mit der sie die durchaus sehr anspruchsvollen Kompositionen
präsentieren, und den kurzen aber so süß verschmitzten Ansagen von Sänger und Gitarrist Thomas Juneor
Andersson. Für mich sind Thomas, Peer und Tobi über die letzten Jahre schon zu liebgewonnenen Freunden
geworden, die ich nicht mehr missen möchte, musikalisch wie auch menschlich.

Inzwischen haben sich auch nahezu alle anderen Freunde und Bekannte eingefunden, bis auf drei. Eigentlich
wollte Mephi von Daily Thompson noch auf Stippvisite vorbeikommen, doch die Vernunft und
Professionalität hat in diesem Fall leider siegen müssen. Zu viele wichtige Auftritte vor und nach dem Festival
machten eine Ruhe-Phase notwendig. Und mit Lulu von Electric Moon verbindet mich seit zwei Tagen ein
konsequentes aneinander Vorbeirasseln. Mal schauen, ob wir es noch hinbekommen werden.
Jetzt aber sind Steak auf der Bühne. Leider starten sie sehr ruhig und spacig, was meiner noch existenten
Headbang-Euphorie von Kamchatka einen leichten Dämpfer verpasst, aber sie liefern dennoch einen
wunderbaren Auftritt ab, der dann auch gut an rockiger Fahrt aufnimmt. Für mich der ideale musikalische
Hintergrund für den traditionellen Falafel-Wrap vom Freak-Veggie-Stand und ein weiteres erfrischendes
Getränk.

Bei Pontiak gestaltet sich das Set genau anders herum. Fast schon brüllend laut hämmern die Heavy-Rocker
los, damit auch dem letzten verkaterten Besucher oben auf dem Campground die Ohrmuscheln klingeln wie
ein Wecker. Die zweite Hälfte des Auftritts steigert sich dann mit etwas mehr psychedelic-Sound und idealer
Lautstärke zur Perfektion. Das Trio aus den drei Brüdern stammt aus Baltimore und steht bereits seit 18
Jahren und 8 Alben gemeinsam auf der Bühne.

Nun sind die einzigartigen Seedy Jeezus am Start. Die Melbourner Heavy-Rocker föhnen jedem Frosch die
Locken glatt, und das mit einer Spielfreude die dem gesamten Platz in ein gemeinschaftlich fröhliches
Lächeln ins Gesicht brezelt. Selten habe ich so eine unfassbar dankbare und sympathisch agierende Band
erlebt, die auf einem derart hohen Niveau ihre Musik zelebriert. Die drei Kerle (man kann es nicht anders
schreiben) geben einem immer wieder das Gefühl, dass sie exakt in diesem Moment den Auftritt ihres
Lebens spielen. Und diese Spielfreude ist gerade bei dieser Band so unglaublich ansteckend, dass sich daraus
eine sich stetig steigernde Wechselwirkung mit dem Publikum ergibt. Und dann legen sie auch noch mit
Voodoo Child eine genial gespielte Hommage an Jimi Hendrix hin, die ihm die Freudentränen in die Augen
getrieben hätte, würde er noch unter uns weilen. Für mich sind Seedy Jeezus immer wieder DAS High Light
schlechthin.

Nach dem Auftritt erschallen plötzlich musikalische Töne aus einer ganz anderen Richtung. Sichtlich irritiert
schaut man um sich und lokalisiert die Klänge aus Richtung der Chill-Wiese beim Cocktailhaus, wohin sich
dann in kürzester Zeit eine ganze Menschenmasse bewegt. Noch rechtzeitig bevor es kein Durchkommen
mehr gibt erreiche ich den Ort des Geschehens. Da steht doch einfach mitten auf dem Platz die Band, die uns
im vergangenen Jahr schon beim Einlass beschallt hat, und spielt nun auf dem Platz ein spontanes Set. Die
Mad Hatter begeistern mit einem knackig groovigen Mix aus Bluesrock mit leichtem Brass-Einschlag für drei
oder vier Songs die jubelnde Menge, welche sich rund um sie herum dicht an dicht drängt. Und so
überraschend schnell, wie sie aufgetaucht sind, ist die Überraschung auch schon wieder vorbei.
Von Seedy Jeezus noch ganz euphorisch und von Mad Hatter überrascht, wird uns aber keine Erholung
gegönnt, denn nun folgen King Buffalo. Eine Band, die jetzt schon – und absolut zu Recht – Kult-Status hat.
Brillant ausgefeilte Kompositionen feinsten psychedelic-heavy-Sounds zaubert das Trio auf die Bühne.
Eine psychedelisch singende Gitarre und rythmisch antreibende Drums, die von einer genialen Bass-Line
getragen werden. Episch ist hier das Wort der Wahl. Bereits beim Krach am Bach 2022 waren sie absolut
herausragend, und hier legen sie die Latte ein weiteres Mal gleich drei Stufen weiter nach oben. Bereits seit
zehn Jahren zaubern die drei US-Amerikaner Sean, Dan und Scott nun Klänge und Klangwelten, die uns in
Dimensionen entführen, die nicht von dieser Welt sind. Grandios!

Vollkommen begeistert und paralysiert geht es kompromisslos genial weiter. Mit Earthless steht eine
weitere Legende auf der Bühne. Spacig und psychedelisch im melodiösen Spiel treiben sie das Publikum
förmlich vor sich her. Dieses Trio aus San Diego hat ganz offensichtlich einen Pakt mit dem Teufel
geschlossen. Die Songs bauen sich unermüdlich und schier endlos auf, türmen sich regelrecht auf, bis hin zu
einem vulkanösen Mega-Orgasmus. Ein, im absolut positivsten Sinne, wahnsinniges klanglich atomares
Gitarrengeficke! Anders kann ich das einfach nicht in Worte fassen, was hier auf und vor der Bühne passiert.
Und genauso fühlt es sich nach dem Auftritt an, als ich unweigerlich und instinktiv nach der Zigarette
„danach“ greife.

Und da das auf musikalischer Ebene einfach nicht mehr zu toppen ist, gibt es zum Abschluss des Tages das
totale musikalische Kontrastprogramm, welches aber den Kult-Faktor um Level 10+ auf das Maximum
erhöht! Die Melvins! Das Trio aus Washington zelebriert hier ihr unfassbares 40jähriges Bühnenjubiläum.
Eine unglaubliche Bandhistorie, welche nun wirklich ihresgleichen sucht. Welche Band kann schon von sich
behaupten, dass Curt Cobain ihr Roadie gewesen ist, und beim Vorspielen als möglicher zusätzlicher Gitarrist
kläglich gescheitert ist, weil er absolut jeden einzelnen Song vergessen hatte? Ohne diese Band hätte es nie
einen Dave Grohl bei Nirvana gegeben, und dass die Tochter von Shirley Temple zeitweise die Bass-Saiten
zum Klingen brachte ist ebenfalls nicht minder besonders. 40 Jahre lebendige musikalische Geschichte mit
über 40 produzierten Alben, die sich nie wirklich in eine Schublade haben quetschen lassen, werden hier
jetzt auf der Bühne stehen. Die Spannung steigt auf dem gesamten Platz ins Unendliche bis zu dem Zeitpunkt
als das Intro beginnt. …
Und verdammte Axt, nur so eine Band kann die Eier in der Hose haben auf einem solchen Festival ihren
Auftritt mit Take On Me von A-Ha einzuläuten! Der Song startet, 10 Sekunden lang starren sich über 2000
Menschen irritiert und ungläubig gegenseitig in die Augen und dann johlt die Menge los und singt lauthals
mit, bis 2-Meter Hüne Steven McDonald auf der Bühne erscheint und den Bass erklingen lässt. Was dann
folgt lässt sich kaum in Worte fassen. Eine Avantgarde-Glam-Punk Explosion, an der sich die Geister scheiden
mögen, aber definitiv wohl die eindrucksvollste Bühnenshow des Tages abliefert. Zwischen
Begeisterungsstürmen, Moshpits und offenstehenden Mündern mit schwebenden Fragezeichen über den
Köpfen ist alles an Reaktionen vor der Bühne vertreten. Seit 40 Jahren gibt es die Band, aber das merkt man
dem Trio aus dem angemaltem Kult-Schlagzeuger Dale Crover, Steven im knallroten „The Sweet-GedenkOutfit“ und dem Sänger und Gitarristen Buzz Osborne mit der schneeweißen „geplatzes Sofakissen-Frisur“ in keinem Moment an.
Springend, posend, vor Energie strotzend hämmern sie auf ihre Instrumente ein, oder lassen sie singen, hämmern und kreischen. Es ist verstörend, amüsierend und irgendwie geil im selben Moment. Man will nichts verpassen von diesem
Auftritt und fragt sich dennoch permanent „What the fxck??“ Und den Dreien scheint es auch einen riesen
Spaß zu machen, denn es ist bisher wohl eher selten passiert, dass die Melvins gleich mehrere Zugaben
gespielt haben.

Resümee: Perfektion eines Festivaltages in absoluter Gänze!! Nix zu meckern und nix besser zu machen!
Ich bin noch immer vollkommen geflashed!!! Perfekter kann ein Festival-Tag kaum aussehen!!
Perfektes (fast wieder zu heißes) Wetter, wunderbarste Menschen und das geilste Line up an einem Tag, wie
es besser kaum sein konnte! Von der ersten Band bis zur letzten gespickt mit allem, was das Freak-Herz
begehrt. Habe ich schon das Wort „perfekt“ genannt? Beseelt und glücklich geht es zurück zum Van, denn morgen ist noch ein Tag!

Tag 3 im Valley – Samstag

Obwohl der Freitag so grandios gewesen ist, war die Nacht irgendwie wenig erholsam. Das muss mit Kaffee
und Toast am Morgen kompensiert werden. Und wieder knallt die Sonne erbarmungslos vom strahlend
blauen Himmel. Während ich mein Kurz-Resumee auf Facebook poste hängt Django wieder am Laptop um
seine x-tausend Bilder vom Vortag zu übertragen und erste Aussortierungen vorzunehmen. Ich habe in diesem Spiel definitiv den einfacheren Job.
Kurz vor 12 Uhr erklingen vom Festival-Gelände merkwürdige Klänge, die mich schon ein wenig irritieren
aber auch neugierig machen. Also wird noch schnell eine Kleinigkeit gegessen und dann geht’s los.
Hoffentlich klappt es heute Lulu zu treffen, zumindest haben wir einen groben Plan, damit es funktioniert.
Und dieses Mal muss es klappen, schließlich läuft die Arme seit drei Tagen mit einer CD für mich in der
Tasche durch die Gegend.
Auf dem Gelände angekommen hören wir wieder diese komischen Geräusche, wie durch ein verzerrtes
Megaphon. Und dann läuft da so ein komischer Pastor-Typ mit einem komischen Wägelchen und brüllt kaum
verständliches Zeug in sein Soundgerät wie ein Marktschreier, nur eben irgendwas mit „Blues“ und dazu
sowas wie eine Art Sirene. Wir setzen uns nach einem kurzen Pläuschchen mit Jörg, dem Master of Bier vom
Freak Valley, unter das Sonnensegel und wundern uns weiterhin über diesen schrägen Brüll-Vogel. Unsere
Bank-Nachbarn sind auch ebenso irritiert und amüsiert wie wir, aber sie wissen zumindest, dass dies das „Vorspiel“ zum ersten Auftritt des Tages sein wird. Und so kommt es dann auch. Reverend Beat Man ist der „Übeltäter“, dessen Drum Set nun auf der Bühne aufgebaut steht. Ein Schlagzeug ganz vorne an der Bühne, ein recht spärliches obendrein, eine Gitarre und sowas wie eine Loop Station. Wir sind gespannt, Volker kommt auf die Bühne und sagt benannten Reverend Beat Man entsprechend an. Aus den Boxen schallt die Einmarsch-Melody vom Undertaker (der eine oder die
andere werden sich erinnern), was schonmal begeistert und gleichzeitig amüsiert als der Reverend die Szenerie dabei schweigend betritt. Diese Melodie geht dann in eine kirchlich orchestrale Melodie über, während der Reverend gemächlich seinen Platz am Drum-Set einnimmt und dabei fröhlich schmunzelnd das Publikum zu sich vor die Bühne
winkt. Dann greift er tiefenentspannt zur Gitarre und macht Anstalten nach dem sich ankündigenden
Ausklingen des Intros mit dem Spiel zu beginnen. Doch Pustekuchen, die Melodie nimmt wieder Fahrt auf,
der Reverend seufzt leicht grinsend, zuckt mit den Schultern und stellt die Gitarre wieder weg. Diese sehr dezente Situationskomik löst bereits die ersten Lachflashs im Publikum aus. Beim zweiten Anlauf der verklingenden Melodie ist es dann aber soweit, und der Irrsinn nimmt seinen Lauf. Dieser Typ ist eine komödiantisch wahnsinnige Mischung aus dem britischen Baldy Man, Hank Williams III auf LSD & Koks und Rüdiger Hoffmann auf Valium… nur eben aus der Schweiz. Skurrilste Texte, gnadenlos trockene Situationskomik gepaart mit brachial mitreißend groovigem Blues-Punk und einer Gesichtsmimik, die Andrew Strong von den Commitments vor Neid erblassen lassen würde. Wie der Abend gestern mit den Melvins skurril und abgefahren zu Ende ging, so startet er heute Morgen mit dieser One-Man-Blues-Punk Comedy-Explosion. Höhepunkt der irrwitzigen Show war allerdings die mehr als strange „Performance Predigt“, mit anschließendem Striptease, welcher glücklicherweise nicht komplett erfolgte. Hierbei dürften
sich Vertreter der hiesigen Religionsgemeinschaften durchaus nachhaltig auf den Talar getreten fühlen.
Das Ende dieses Spektakels wird mit nachdrücklichen Zugabe-Chorälen begleitet, welche aufgrund des
Zeitplanes leider nicht erfüllt werden können. Wir brauchen jetzt erstmal ein nachhaltiges Kaltgetränk um
das Erlebte sacken zu lassen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in meinem ganzen Schreiber-Leben noch
nie so viel Text über eine One-Man-Show zu Papier gebracht habe

Ich bin noch sichtlich irritiert als mir nun endlich Lulu in die Arme läuft, womit auch dieses lang erwartete
Wiedersehen ein erfreuliches Finale hat. Und so kann nun auch die noch ganz taufrische EP von Sarkh die
Besitzerin wechseln. Die Band hatte mich bereits beim Hoflärm Festival 2022 nachhaltig beeindruckt, und
steht seitdem auf meiner Must-Have-Liste. Während wir noch schnattern spielen längst Ritual King aus
Manchester. Das Trio liefert amtlichen Heavy-Rock mit einer Messerspitze Blues-Rock, welcher so klingt, wie
ein kräftiger Morgenkaffee mit einem kleinen Schuss Milch.

Die Sonne bruzzelt uns heute noch etwas stärker als am Vortag, und beinahe wäre ich geblendeter Weise
einfach an Lex von Seedy Jeezus vorbeigelaufen, der gechillt neben der Pils-Tanke steht und sich von dort
den Auftritt anschaut. Er erzählt, dass sie heute noch einen Off-Day haben, den sie natürlich im Valley verbringen, bevor es am Sonntag zum nächsten Auftritt in die Niederlande geht. Auf der Bühne positionieren sich nun Gaupa aus Schweden. Ja, das Valley ist in diesem Jahr ein ganz klein wenig skandinavisch fokussiert wie mir scheint. Und wie zu erwarten war ist auch bei dieser Band rein musikalisch kaum etwas zu finden an dem man großartig etwas kritisieren könnte. Progressiv, leicht psychedelisch agieren die vier Herren an ihren Instrumenten. Einzig einen Kritikpunkt konnte ich finden, aber dieser hat es leider in sich, wenngleich es eigentlich nur meinem persönlichen Geschmack geschuldet ist. Ich kann mit der Sängerin Emma Näslund einfach nicht warm werden. Für mich persönlich ist sie gesanglich,
optisch und performance-technisch einfach „Mushroom-Barby meets Björk on Speed“. Ich mag Björk im
Original sehr, aber hier gehen mir die quitischigen schrägen Töne voll unter das Zahnfleisch. In Kombination
mit dem was sie da auf der Bühne bewegungstechnisch abliefert, kann ich mich nur permanent fragen,
welche Art von Pilzkombination hier schiefgelaufen ist. Sie mag ja eine liebe und süße kleine blonde
Schwedin mit durchaus respektabler Stimme (in den geraden Tönen) sein, aber sie wirkt an diesem frühen
Nachmittag bereits nicht mehr so ganz anwesend auf diesem Planeten, geschweige denn auf dieser Bühne.
Das ist aber wie gesagt mein ganz persönliches Empfinden, was rund um mich herum durchaus anders
wahrgenommen wird, wie mir scheint.

Ab diesem Moment allerdings wird es nun schwierig mit der Schreiberei, denn unser inzwischen langjähriger
Festival-Kumpel Jens S. Hoff vom Rockblog.Bluesspot hat heute Geburtstag. Und wie das Leben so spielt ist
auch gerade im Schatten bei der Hopfenausgabe die „Rentnerbank“ aus drei gepolsterten Stühlen frei
geworden. Und so kommt es, wie es kommen muss. Wir sitzen, quatschen, feiern, machen Späßchen,
trinken und Rubbeldiekatz rauschen Tabernacle, Hypnos69, The Obsessed, The Great Machine, Hällas und
Orange Goblin nahezu ungesehen an mir vorbei. Auf der einen Seite muss ich zugeben, dass mich das bei der
einen oder anderen Band rückblickend wahnsinnig ärgert, ich aber dieses freundschaftliche Beisammensein
auch in keiner Weise missen möchte. Und warum mir das gerade jetzt so besonders wichtig erscheint,
erkläre ich gleich noch am Ende. Die Fotos der verpassten Bands folgen nun trotzdem, damit jeder sehen
kann, was ich an dem Tag alles verpasst habe

Eine Band habe ich dann aber doch noch gesehen, und auf die habe ich auch quasi die gesamte Zeit
gewartet. Das französische Trio namens Slift wird das diesjährige Freak Valley Festival final beenden. Diese
im Vergleich noch relativ junge Band gründete sich zwar bereits 2016, sorgte aber erst mit ihrem zweiten
Album Ummon im Jahr 2020 für breites internationales Aufhorchen. Mit zweistimmigem Gesang und einem
extrem modern und frisch klingendem Sound wirbeln sie wie ein Tornado durch Stilrichtungen wie Space-
/Progressive- und Heavy-Rock. Mal krachig grob, mal fast schon zerbrechlich zart, dann wieder
mathematisch ausgefeilt und absolut präzise schrauben sich die beiden Brüder Jean und Rémi mit ihrem
Schulfreund Canek durch sämtliche Gehörgänge direkt ins Langzeitgedächtnis, um sich dort langfristig
häuslich niederzulassen. An diesem Abend wird ihr Auftritt allerdings noch eindrucksvoller, denn er wird mit
genial getimeten, riesigen Visualisierungen von Guthio in Szene gesetzt. Für die Fotografen dürfte es
schwierig gewesen sein die Franzosen gebührend auf Bilder zu bannen, da dementsprechend fast gänzlich
auf das Frontlicht verzichtet wurde.

Ein wirklich imposanter Abschluss eines erneut wieder ganz einzigartigen wunderbaren und genialen Freak Valley Festivals.
Und nun folgt die gerade angekündigte Erklärung. Natürlich ärgere ich mich maßlos so viele großartige Bands
am heutigen Tag nicht wirklich erlebt zu haben, allen voran The Great Machine, aber die Zeit mit mir
wichtigen Menschen zu teilen war mir hier wichtiger, und das hat in diesem Fall auch einen ganz aktuellen
traurigen Grund. Am Vortag traf ich nämlich noch die Dritte von den ganz oben erwähnten drei „vermissten“
Personen. Es war Matte von My Sleeping Karma, der rein beruflich kurz auf dem Festival zugegen gewesen
ist. Ich sah ihm sofort an, dass was nicht in Ordnung war, und ich ahnte es auch bereits. Viele dürften wissen,
dass Steffen, der Schlagzeuger von MSK seit Jahren gegen den Krebs kämpfte, und erst kürzlich noch eine
Spendenaktion lief um eine spezielle Therapie bezahlen zu können, welche die Kasse nicht übernehmen
wollte. Auf Nachfrage bei Matte verriet er mir dann, dass sich die Situation extrem verschlechtert habe, und
Steffen sich jetzt bereits im Hospitz befinden würde, und er wohl nur noch wenige Tage zu leben hätte. Ich
merkte wie sehr er versuchte die Kontrolle über seine Reaktionen zu behalten, und dennoch nahm er mich
sofort in den Arm, als mir die Tränen hochschossen. Aber auch ich versuchte mich schnell wieder
zusammenzureißen, um es in diesem Moment nicht noch schlimmer zu machen. Matte musste auch dann
schnell weiter.
Aus diesem Grund habe ich mich an diesem Samstag ganz bewusst dazu entschieden die Zeit lieber mit den
mir wertvollen Menschen zu teilen, die ich eben nicht jeden Tag um mich haben kann, denn wer weiß wie
viel Zeit wir dafür noch haben. Beim Schreiben dieser Zeilen über den letzten Festival-Tag erreichte mich nun
gerade die traurige Nachricht, dass Steffen den Kampf gegen den Krebs verloren hat.
Somit schreibe ich unter Tränen die letzten Sätze dieses Berichtes, und höre meinen Lieblingssong Ephedra
von MSK in Dauerschleife. Es gibt mir ein wenig Trost, und vielen anderen die ihn viel intensiver kannten
hoffentlich auch, dass er durch die Musik eine Art Unsterblichkeit innehat, die uns immer wieder an ihn
erinnern wird. Es fällt mir extrem schwer die Zeilen für diesen Bericht zu einem Ende zu bringen, die nicht
von der beklemmenden Trauer überzogen sein sollen, aber es ist nicht zu ändern fürchte ich. Deswegen
mache ich es ganz kurz und knapp und etwas gefühlsnüchterner als in den letzten Jahren.
Ich verneige mich dankend vor der gesamten Rock-Freaks-Crew, allen Helfenden, Unterstützenden, Bands,
Musikern und Musikerinnen, der gesamten Technik-Crew, den Ehrenamtlichen, den Securities, den
Reinigungskräften, den Menschen vom Rettungsdienst, der Getränke-Crew, den unglaublich tollen
Menschen aus aller Welt, die das Valley in diesen drei Tagen bevölkern und zum schönsten Ort der Welt
machen und bei allen, die ich jetzt vergessen habe! Und vergesst bitte nie, dass jeder Moment im Leben
wichtig ist und genutzt werden sollte um so glücklich wie nur möglich sein zu können, um dieses Glück mit
anderen zu teilen, damit es sich unendlich vermehren kann.

Love, Peace & Rock´n Roll – Bis zum nächsten Jahr!
Abschließend ein von Herzen kommendes Danke an EUCH hier, die Ihr das alles bis zum Ende gelesen habt.
Wenn es Euch gefallen hat, dann teilt diesen Bericht gern weiter.
Noch mehr Bilder und auch viele Impressionen vom diesjährigen Freak Valley Festival findet Ihr unter
www.django-foto.de
Sam & Django
Text: Sabrina „Sam“ Vogel
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Bilder: Volkhard „Django“ Kulisch
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