Krach am Bach Festival 2023

04. & 05. August

Ein Erlebnis-Bericht von „SAM on the Rocks“

Es ist die 31ste Woche dieses Jahres, und gefühlt mindestens die 20ste Regenwoche. Die dramatischen Meldungen vom Wacken Open Air begleiten uns bereits die gesamte Woche und trüben ein wenig die Euphorie auf unser zweites Krach am Bach Festival Erlebnis. Im vergangenen Jahr sind wir das erste Mal dort  und haben uns sofort in dieses Kleinod in Beelen auf der horizontalen Mitte zwischen Münster und Bielefeld verliebt. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass es eine Schande ist, dass wir nicht schon viel eher hier gelandet sind. Und mit viel eher meine ich sehr viel eher, als man nun vermuten mag. Dieses Festival gibt es nämlich seit unfassbaren 29 Jahren, und startete 1994 sogar mit niemand geringerem als der Alex Oriental Experience Band. Im Grunde entstand das Ganze aus der Idee heraus gemeinsam mit Freunden ein kleines Festival auf die Beine zu stellen um Geld für eine erkrankte Freundin zu sammeln. Über die vergangenen 29 Jahre hat sich zwar einiges verändert, aber der gute und gemeinnützige Gedanke dahinter ist bis heute geblieben. Seitdem werden nahezu jedes Jahr 5stellige Beträge auf verschiedene wichtige Organisationen aufgeteilt, welche in nahezu allen notwendigen Bereichen Hilfestellung bieten. Auf der Homepage kann man eine Aufstellung finden, an welche Organisationen die Spenden des jeweils vorangegangenen Jahres aufgeteilt wurden.

Über die Jahre gaben sich dann somit auch unzählige namenhafte Bands auf den Bühnen die Instrumente in die Hand, wie man in der Historie ebenfalls auf der Homepage nachlesen kann. Daran kann man auch den musikalischen Wandel und die Entwicklung des Festivals sehr gut einsehen. Jede Generation und jedes Organisations-Team bringt somit eigene Einflüsse mit in das Line up des Krach am Bach ein. Der Fokus liegt allerdings sehr deutlich auf der handgemachten rockigen Seite und in den letzten Jahren eben auch sehr im psychedelischen und progressiven Bereich.

Als wir im vergangenen Jahr das erste Mal nach Beelen reisten war es schon ein wenig verwirrend, da unsere Googundula uns nach dem A1-typischen Baustellenchaos und einer kurzen Reise auf der A33 auf eine doch schon sehr verwunderliche Route über „Single-Track-Road“-Schleichwege durch die Landschaft schickte. Selbst 100 Meter vor dem eigentlichen Festivalgelände deutete rein gar nichts auf ein „richtiges“ Festival hin. Aber es war da, und so auch in diesem Jahr. Auf der A1 sind die zahlreichen einzelnen Baustellen anscheinend zu einer unendlich erscheinenden verschmolzen, aber dafür ging es recht flüssig hindurch. Und so kamen wir quasi pünktlich um 12 Uhr mittags am Check in an und erblickten schon die ersten Bekannten noch bevor der Transporter geparkt gewesen ist. Sogar die Sonne lies sich blicken zwischen großen weißen Wolkenbergen am Himmel. Die „Wohnung“ geparkt und ausgepackt, eine Kleinigkeit gegessen und einen ersten Blick auf das Gelände geworfen. Und da sich zum Jahr davor kaum etwas verändert hat, freuen wir uns bereits schon jetzt wieder auf diese wirklich perfekt konzipierte Location, welche so malerisch von großen Platanen eingerahmt wird. Unter den Bäumen reihen sich im Kreis die diversen Stände für Speis und Trank und den sehr wichtigen Merch-Bereich aneinander. Neben letzterem befindet sich wieder der Durchgang zur zweiten Bühne des Festivals. Dieser Bereich ist für mich – wie auch bereits im letzten Jahr – der einzige Kritikpunkt, denn er ist einfach viel zu klein für die wirklich herausragenden musikalischen Perlen, die hier auf die Bühne gestellt werden. Doch dazu später mehr.

Das Infield vor der großen Main-Stage sieht auch noch verhältnismäßig grün und trocken aus, wenn man bedenkt, dass es seit Wochen nahezu täglich geregnet hat. Bis zur offiziellen Öffnung ist es noch ein wenig hin, also beschließen wir Freunde und Bekannte auf den Campgrounds zu besuchen. Diese sind in diesem Jahr etwas weiter auseinander und leider auch auf etwas weiter entfernte Ausweichflächen verlagert, was ebenfalls dem Regen geschuldet ist. Alles in allem haben aber alle Verständnis, und achten auch darauf die Böden nicht mehr als unbedingt notwendig zu belasten. Somit sind hier kaum Schlamm-Eskapaden Wackener Ausmaße zu erwarten.

Um 16 Uhr ist es dann soweit und das Infield darf von den Gästen geentert werden. Wir begrüßen weitere Freunde und Bekannte bis dann um 17 Uhr endlich die erste Band des Tages in die Saiten greift.

Decasia aus Frankreich eröffnen den bisher noch trockenen ersten Festival-Tag auf der Main-Stage mit sattem heavy psychedelic Rock. Die drei Pariser grooven kraftvoll aber bodenständig durch ihr Set. Spritzig und virtuos zelebrieren sie den organischen 70s Sound ohne dabei verbraucht oder kopiert zu klingen. Vor allem Fabien am Bass schafft wunderbare Übergänge zwischen härteren und weicheren Passagen, während Maxime seine Gitarre plektronfrei erklingen lässt. Rhythmisch werden beide von Geoffrey an den Drums im Zaum gehalten ohne dabei eingrenzend zu sein. Alles in allem ein eingängiger Auftakt, an dem es nichts Gravierendes zum Kritisieren gibt.

(Band: Decasia)

Als zweite Band folgt für mich eigentlich schon eins meiner Highlights an diesem Wochenende. Im vergangenen Jahr sind sie noch beim Freak Valley Festival spontan eingesprungen, hier stehen sie nun absolut eingeplant und vollkommen verdient auf der großen Bühne: Glasgow Coma Scale aus Frankfurt. 2011 von den Brüdern Marek und Piotr gegründet, und seit 2021 mit dem neuen Drummer Lala Adamowicz perfektioniert, haben sie gerade mit ihrem aktuellen Album „Enter Oblivion“ erneut für begeisterte Kritiken in der Szene gesorgt. Hier präsentieren sich die drei extrem bodenständigen Musiker bei bewölktem Himmel vor einem augenscheinlich sehr gut gefüllten Platz. Und bereits mit den ersten Tönen beginnt die sphärische Reise herausragend komponierten Postrocks instrumentaler Klangart. Egal ob mit geschlossenen oder offenen Augen, wenn man sich dieser Musik öffnet, dann werden Scheuklappen gläsern und Horizonte erweitern sich ins schier unendliche. Sphärisch, fast hypnotisch einhüllend nehmen sie uns mit in ihre Welt, die Melodien zu Farben werden lässt, welche sich regenbogengleich über Berge und Täler klanglicher Höhen und Tiefen erstrecken. Mich begeistern besonders die männlich besetzten Bands dieser Art immer wieder aufs Neue, weil es einfach faszinierend ist, wie viele Emotionen hier vollkommen wortlos transportiert werden. Für mich gibt es an dieser Stelle nur einen einzigen Kritikpunkt, und der ist, dass es einfach noch viel zu hell ist, als dass man diesen eindrucksvollen Sound in entsprechende farbliche Beleuchtung hätte kleiden können. Aber das werde ich später in diesem Jahr glücklicherweise dann noch einmal Indoor erleben können.

(Band: Glasgow Coma Scale)

Nun aber steht auch schon die erste Band auf der kleineren Bühne nebenan in den Startlöchern. Wie zu erwarten ist es hier jetzt bereits sehr voll vor der Bühne, da der Platz nur 1/3 so groß ist, aber fast alle Gäste auch diese kleinen Perlen erleben möchten. In diesem Fall ist die Perle allerdings eher eine Art musikalischer Knallerbse der etwas schrägeren Bauart. Das Duo White Hills aus den USA hat seit 2003 sieben Alben und insgesamt über 40 musikalische Veröffentlichungen auf den Markt gebracht. Sie saugen nahezu jede Stilrichtung der Rockszene in sich auf und würfeln daraus teils fast schon avantgardistisch anmutende Neukreationen. Unvorhersehbar und somit oftmals auch nicht so ganz einfach nachzuvollziehen, aber definitiv kreativ. Aber was will man auch sonst aus einem musikalischen Hexenkessel wie New York erwarten? Mich persönlich reißen die Beiden allerdings nicht wirklich aus meiner noch immer anhaltenden GSC-Sphäre, was übrigens auch der nachfolgenden Band auf der Hauptbühne nicht wirklich gelingt.

(Band: White Hills)

Frankie And The Witch Fingers aus L.A. haben ohnehin einen nicht so einfachen Stand, da sie für die leider  verhinderten Elephant Tree einspringen. Aber das ist ganz offenbar nur mein ganz eigenes Thema, denn vor der Bühne ist es rappelvoll, und das Quartett haut mächtig rein. Die Menge lässt sich vom punkigen Sound vollkommen mitreißen, und so dauert es auch nicht lange bis aus anfänglichem Mitwippen schnell ein flächendeckendes Tanzen und Pogen mit Crowdsurfen wird. Mir persönlich gefallen die ruhigeren Parts besser, aber ich bin ja auch schon alt.

(Band: Frankie And The Witch Fingers)

An dieser Stelle fällt somit auch die kluge Entscheidung etwas an den hiesigen Ständen zu essen, da der Andrang dort gerade entsprechend gering ist. Das Angebot reicht von asiatischen Gerichten in den typischen Papp-Boxen über „Burger“-Variationen im Fladen-Brot, Döner und Falafel bis zur klassischen Bratwurst und Pommes. Alles zu wirklich moderaten Preisen, ebenso wie bei den Getränken. Ich denke es ist schon nicht mehr ganz so einfach Festivals zu finden, wo man Softdrinks in 0,3l noch für 2,00 € und 0,3l Bier für 3,00 € bekommt. So geht es nun auch gut gestärkt zurück zur Second-Stage wo sich nun Baron Crane bereit machen. Und damit zur bereits zweiten positiven Überraschung aus Frankreich an diesem Tag. 2014 in Paris gegründet startete das damalige Trio recht schnell durch und bremste dann 2017 fast auf Null aufgrund eines fast kompletten Member-Wechsels. Seitdem bestehen Baron Crane aus Gründungsmitglied Leon an der Gitarre, Leo am Schlagzeug und Olivier am Bass. Offiziell werden Bezeichnungen wie Heavy-Psychedelic- Rock für diese Band verwendet, was ihnen aber in keiner Weise gerecht wird. Das Trio zelebriert auf allerhöchstem Niveau einen musikalischen Drahtseiltanz zwischen hypnotischem Space-Rock, mathematischem Jazz-Rock, progressivem Psychedelic-Rock und groovigem Funk-Rock. Was dieses Trio komplett instrumental auf die kleine Bühne zaubert begeistert nicht nur mich auf ganzer Linie, sondern ganz offensichtlich alle die sich hier auf den mal wieder viel zu kleinen Platz drängen.

(Band: Baron Crane)

Was hier gerade auf der Bühne geboten wird ist ein musikalisches Sterne-Menú der französischen Kompositions-Küche. Und dabei ist es vollkommen egal, ob die Stücke in ihren ruhigen Parts glänzen, oder vollkommen energetisch über die Menge hereinbrechen, jede und jeder hier hängt förmlich gebannt mit dem Blick auf der Bühne um keine Sekunde zu verpassen. Diese drei jungen Herren muss man sich auf jeden Fall merken. Allerdings geht auch dieser Auftritt wieder viel zu schnell vorbei, denn auf der Mainstage macht sich bereits das nächste Trio aus Frankreich für seinen Auftritt bereit.

Diese drei Herren kommen allerdings nicht aus Paris, sondern aus Toulouse. Slift hatte ich ja bereits beim Freak Valley Festival live erlebt und in meinem dortigen Bericht beschrieben. Ich verfolge diese Band ja bereits seit ein paar Jahren, hatte allerdings irgendwie eine ganz andere Vorstellung wie sie live sein würden. Zwar ist ihr Sound in Kombination mit den Visualisierungen ganz beeindruckend und interessant, aber live klingen sie für mich einfach viel zu undifferenziert und krachig. Hier kommt dabei noch der leider etwas „matschige“ Sound seitlich vor der Bühne dazu. Direkt vor der Bühne zu stehen macht es aber auch nicht viel besser, da die als Wand komprimiert vor die Bühne gestellten Bässe einem den Mageninhalt knapp die halbe Speiseröhre wieder hochdrücken. Alles in allem empfinde ich den Auftritt hier dennoch irgendwie eingängiger, aber das kann auch daran liegen, dass meine Erwartungshaltung an die Band eine andere ist. Dennoch wird Slift für mich zukünftig doch eher eine Band sein, die ich lieber auf Vinyl statt auf der Bühne genießen werde.

(Band: Slift)

Mit Slomosa steht nun eine norwegische Desert/Storner-Rock Band auf der Second Stage. Das noch recht junge Quartett aus Bergen, welches 2020 ihr selbstbetiteltes Debutalbum veröffentlichte, spielt recht eingängigen straighten Stoner-Rock. Für mich eine Band, die vielleicht etwas mehr Kreativität wagen könnte. Technisch erfüllen sie jedwede grundsätzliche Erwartung an eine Band dieser Sparte, allerdings leider auch nicht mehr als das. Gesanglich würde ich mir wünschen, dass hier noch die eine oder andere Unterrichtsstunde genommen werden würde, um die durchaus besondere Klangfarbe technisch und vom Volumen her besser zur Geltung kommen zu lassen. Nach den beiden französischen Überraschungen auf der Second Stage am heutigen Tag haben es Slomosa bei mir allerdings nur ins Mittelfeld geschafft.

(Band: Slomosa)

Minami Deutsch steht heute nicht nur als letzte Band des Tages auf der Main Stage, sondern ist auch die erste Band aus Japan im Line up des Krach am Bach Festivals seit nun insgesamt 29 Jahren. Ich durfte diese Ausnahmeband bereits 2019 im Valley bestaunen. Man muss schon sagen, dass es etwas wirklich besonderes ist, eine japanische Band aus Tokio live auf einer deutschen Bühne zu erleben, die quasi deutschen Krautrock im Stile späten 60er und frühen 70er Jahre in eigener Charakteristik zelebriert. Dennoch bleibt es für mich ebenso wie Slift eher eine Vinyl-Band, statt einer Live Band. Zwar ist ihr Spiel und die Kompositionen durchaus brillant, aber eben auch geprägt von höchster Konzentration und Perfektion, statt von dem „Kraut“ geschwängertem Flow tiefenentspannter Musiker. Und so sehe ich nun zum zweiten Mal eine wirklich gute aber eben auch wirklich sehr statisch agierende Band auf der Bühne. Für mich somit der Moment der Matratze im Van den Vorzug zu geben. Und so endet der erste Tag am Bach im Grunde sehr zufrieden, aber auch mit einem sehr dröhnenden Bass, der den Van quasi noch einmal als Resonanzkörper zu missbrauchen scheint. Und während ich darüber sinniere, wie tiefenentspannt doch die Anwohner hier sein müssen ob des wirklich alles durchdringenden Gewummers, schlummere ich langsam ein.

(Band: Minami Deutsch)

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Tag 2 beim Krach am Bach Festival

Kaum zu glauben, dass wir August haben als meine bessere Hälfte am Morgen die Schiebetür öffnet und mit dem Blick auf einen tief bewölkten Himmel ein fast schon eisiges Lüftchen durch den Van weht. Doch wir wollen nicht klagen, denn der Boden ist hier noch immer recht grün und halbwegs fest. In Wacken dürfte das Ganze wohl nicht mehr ganz so angenehm sein. Also starten wir den Tag mit einem ausgiebigem Frühstück und heißem Kaffee. Bei einem kurzen Spaziergang zum Infield treffe ich noch Marek, Piotr und Lala von Glasgow Coma Scale, die sich dann nach einem Kaffee verabschieden. Der Himmel klart ab und an etwas auf und das Regenradar prognostiziert erst am Abend eine neue Regenfront, auf die wir aber alle auch gerne verzichten würden.

Nach dem einen und anderen Smalltalk verleiben wir uns dann doch noch eine Mittagsmahlzeit ein, bevor es dann endgültig auf das Gelände geht. Als erste Band des Tages stehen um 13 Uhr auf der Mainstage nun die wunderbaren Black Lung aus den Staaten auf der Bühne. Eigentlich ein Frevel diese Band als Opener zu setzen, aber an Mut Dinge auch mal anders zu machen fehlt es der Orga dieses Festival-Kleinodes definitiv nicht. Und so zahlt es sich auch aus, denn das Infield ist quasi mit dem ersten Ton auf der Bühne bumsvoll. Wer will sich diese grandiose Band auch schon entgehen lassen, schließlich haben sie ja bereits fast einen genauso großen Kult-Faktor wie The Flying Eyes, aus denen sie quasi als Side-Projekt entstanden sind. Seit 2013 zaubern Multiinstrumentalist und Drummer der Band Elias Schutzmann, Gitarrist Dave Fullerton (seit 2019 dabei) und Sänger und Gitarrist Dave Cavalier mit Black Lung einfach nur ein grandioses Album nach dem nächsten aus dem Hut. Ich kenne die Band seit 2017, als sie gemeinsam mit der Oldenburger Band NAP eine Split-EP aufgenommen, und ein Spontankonzert im Cadillac in Oldenburg gespielt haben. Damals allerdings noch mit Gründungsmitglied Adam Bufano an der Gitarre, welcher die Band 2019 aus beruflichen Gründen verließ. Inzwischen wurde aus der Band aber sogar ein Quartett, denn Mac Hewitt (ebenfalls von The Flying Eyes) gehört nun am Bass ebenso mit zum Ensemble, welches aktuell mit ihrem aktuellen Album „Dark Waves“ ordentlich für hochlobende Kritiken sorgt. Und so starten Black Lung bereits unter Jubel ihren Auftritt. Elias an den Drums grinst schon jetzt über das ganze Gesicht und man merkt ihm an, dass er einfach für die Bühne geboren wurde. Es macht einfach nur Spaß ihm beim Spielen zuzusehen. Von dieser optischen  Spielfreude können sich Dave, Dave und Mac allerdings gerne noch eine Scheibe abschneiden, denn die drei wirken fast schon verbissen ernst und hochkonzentriert auf der Bühne. Das allerdings tut der Musik und ihrem Spiel keinen Abbruch, denn beides ist herausragend. Psychedelic Blues Rock, oder wie auch immer man es betiteln will, auf allerhöchstem Niveau. Dave ist am Gesang einfach brillant, denn er gehört zu denjenigen, die verstanden haben, dass man nicht einfach „nur“ singen können muss, sondern, dass die Stimme sein Instrument ist, dass man „spielen“ können muss. Allein wie er mit dem Mikrophon arbeitet obwohl er beide Hände an der Gitarre haben muss, ist beeindruckend. Wenn der Mann dann noch mit seiner an König Leonidas erinnernden Ausstrahlung seinen durchdringenden Blick über die Menge streifen lässt, dann ist ohnehin jeder Widerstand zwecklos. Dazu dann noch diese einfach nur genialen Gitarren- und Bass-Kompositionen, die sich gegenseitig von zarten Melodiesträngen bis zu brachial doomigen Soundwänden aufbauen um sich dann mit gewaltigem Bassdruck von den Drums über der Menge wie eine riesige Welle zu brechen. Die Haar-Mähnen fliegen, die Köpfe nicken und kreisen, Füße tanzen und inzwischen dürften auch die letzten Langschläfer notfalls im noch klammen Schlafsack zur Bühne vibriert sein. Was für ein brachial genialer Auftakt an diesem zweiten Festival-Tag. Mir zumindest fällt es ziemlich schwer das breite Grinsen wieder aus dem Gesicht zu kriegen.

(Band: Black Lung)

Mit frischem Kaltgetränk geht es zur Second Stage wo nun Maragda auf dem Spielplan stehen. Eine noch recht junge Psychdelic/Grunge-Rock Band aus Barcelona. Da ihr selbstbetiteltes Debut-Album eine komplette Geschichte erzählt ist es vielleicht auf einem Festival nicht ganz einfach gleich den richtigen Zugang zu dieser doch schon sehr talentierten Band zu finden. Das catalonische Trio bedient sich dabei in diversen Stilrichtungen, die von Grunge, Doom, Fuzz bis hin zu Prog und Space reichen.

(Band: Maragda)

Ich würde dieser Band noch ein zwei Jahre „auf der Weide“ geben, dann könnte sich daraus wirklich etwas nachhaltig Interessantes entwickeln, was uns alle vermutlich noch überraschen wird. Mich persönlich übrigens jetzt schon definitiv weitaus mehr als die Band, die nun auf der Main Stage folgt. Und ganz nach dem Motto der Höflichkeit kritisiere ich die nachfolgende Band CB3 lieber nicht, sondern genieße diese sanfte Hintergrundbeschallung für ausgiebige nette Gespräche mit interessanten Menschen vor und hinter der Bühne.

(Band: CB3)

Diese dauern allerdings nicht sehr lange, denn um kurz nach 16 Uhr geht es bereits auf der Second Stage weiter. Wieder eine Band aus Frankreich, ebenfalls aus Toulouse wie auch Slift. Allerdings ist mir diese Band noch quasi vollkommen unbekannt. Im Netz sind die Informationen leider ebenso rar gesät. Die Vier haben sich anscheinend um 2017 herum gegründet und bestehen aus Clément Gaudry-Santiago an den Drums, Thomas Hobeck am Bass, Laura Luiz an der Gitarre und Audric Faucheux am Gesang, den Keys und Sound-Effekten. Gemeinsam sind sie Fuzzy Grass und spielen verdammt abgefahren geilen psychdelelic Rock´n Roll der sich gewaschen hat! Man wühle tief in der Ecke mit den coolsten 60s/70s Rock-Scheiben und niemand würde auch nur ansatzweise anzweifeln, dass die Scheiben „The Revenge Of The Blue Nut“ oder „1971“ sich dort absolut berechtigt zwischen Led Zeppelin, Joe Cocker, Jimi Hendrix und ähnlichen einsortieren ließen. Was für eine Energie diese vier jungen Musiker*innen auf die Bühne bringen und von dort ins Publikum transportieren ist atemberaubend. Laura an der E-Gitarre spielt mit einer erhabenen Leichtigkeit als wenn sie gerade auf einem ganz anderen Planeten wäre. Clements fliegende Lockenmähne wippt im groovenden Takt seiner tighten Drum-Taktierung während Thomas am Bass quasi das Salz in dieser delikaten Komposition darstellt. Das alleine wäre schon grandios, doch mit Audric am Gesang und den Soundeffekten erleben wir hier vielleicht gerade die Geburt eines neuen Sternes am musikalischen Firmament. Ich weiß nicht was die Leute gedacht oder gefühlt haben, als sie Joe Cocker oder Jimi Hendrix oder Janis Joplin das erste Mal live erlebt haben, aber ich könnte es mir jetzt zumindest ansatzweise vorstellen. Es gibt glaube ich nur sehr wenige Sänger und Sängerinnen, die dieses Talent haben nur mit dem Klang ihrer Stimme das Gegenüber mitten ins Herz zu treffen, oder zumindest unter die Haut zu gehen, selbst wenn sie nur „Alle meine Entchen“ singen würden. Dieser junge Mann aber hat dieses Talent, und ich hoffe inständig, dass er gemeinsam mit dieser Band die Bühnen und die Herzen dieser Welt erobern wird. Es ist wirklich der helle Wahnsinn, was die französische Musikszene in diesem Bereich in den letzten Jahren zu bieten hat. Anfang des Jahres haben mich Dätcha Mandala bereits live vollkommen begeistert, und nun ist dies an nur einem Wochenende bereits die vierte Band aus Frankreich, die mich vollkommen begeistert zurücklässt. Dies muss ich der Band nach dem Auftritt auch erst einmal kundtun, während ich noch kurz beim Abbau helfe, als es langsam zu tröpfeln beginnt.

(Band: Fuzzy Grass)

Zurück vor der Mainstage beginnen gerade die fünf Schweden von Dröög ihren Auftritt. Zwar könnte man sie thematisch in eine ähnliche Schublade positionieren, allerdings ohne die voran gegangene Euphorie. Zwar spielen sie gekonnt und technisch gut, aber während es bei Fuzzy Grss quasi ein imaginäres Feuerwerk epochalen Ausmaßes zu bestaunen gab wirken Dröög ihrem Namen entsprechend auch eher wie eine vor sich hin bröselnde Wunderkerze dagegen. Vielleicht tue ich den Jungs auch vollkommen Unrecht, denn eigentlich bin ich ein absoluter Fan handgemachter Rockmusik skandinavischer Bauart. Aber allein als ich den Smartphone-Halter am Mikro des Sängers erblickte, welches aller Vermutung nach als Spickzettel für die Songtexte diente, fiel bei mir nicht nur schlagartig die Kinnlade, sondern auch die Begeisterung auf Bodenniveau. Wenn es eine Sache gibt, die ich auf den Tot nicht leiden kann, dann Sänger, die ihre Texte ablesen müssen.

Ich werde mich vermutlich bis in alle Unendlichkeit entschuldigen müssen, wenn darauf nur der Countdown der Auftrittszeit runter lief, aber für mich war es in dem Moment einfach ein vollkommenes NoGo. Insofern begab ich mich auch wieder nach hinten um das eine oder andere interessantere Gespräch zu führen.

(Band: Dröög)

Mit Acid Rooster aus Leipzig steht im Anschluss daran nun wieder eine Band aus Deutschland auf der Second Stage. Tatsächlich gibt es in diesem Jahr nur drei Bands aus Deutschland beim Krach am Bach zu erleben, aber alle drei sind dafür auf ihre Weise besonders. Ebenso wie bei GCS haben wir es bei Acid Rooster mit einem instrumentalen Space/Kraut-Rock-Trio zu tun. Im Normalfall hätte ich die Drei auch sicherlich hart gefeiert, aber der zunehmende und inzwischen wirklich nervige Regen trübt meine Stimmung aufs Übelste. Und irgendwie schwindet zunehmend auch meine Kraft mit der fallenden Temperatur und dem zunehmenden Wasser von oben. Früher hat mir das zumeist nicht so viel ausgemacht, aber heute geht es mir tatsächlich an die Substanz. Für die Jungs tut es mir unglaublich leid, denn sie geben tatsächlich alles was noch möglich ist auf der kleinen Bühne. Glücklicherweise sind nicht alle so wetterfühlig wie ich heute und vor der Bühne ist es dennoch ganz ordentlich gut gefüllt. Für mich steht zumindest fest, dass ich mir die Jungs noch einmal woanders in weniger feuchtem Ambiente zu Gemüte führen muss.

(Band: Acid Rooster)

Auch bei den nachfolgenden Psychlona aus Yorkshire wird es mit meiner Stimmung nicht besser und so schaue ich mir nur die ersten drei Stücke der Desert-Rocker an. Diese drei Stücke machen aber klar, dass es hier ohne Schnörkel und ohne Schnick Schnack gradlinigen dreckigen und schwerlastigen Rock auf die Mütze gibt. Oder um es mit norddeutschem Gruß zu sagen „Nich lang schnacken, Kopp in´Nacken!“ Dem Spruch entsprechend sieht man auch trotz des Regens genügend Haare fliegen.

(Band: Psychlona)

Ich hingegen mache den wohl schlimmsten Fehler dieses Wochenendes über den ich mich wohl noch monatelang ärgern werde: Eine Ruhepause im Van… Und es kommt wie es kommen musste, ich bin eingenickt und habe somit exakt die beiden Bands verpasst, auf die ich mich neben GCS am meisten gefreut habe. Temple Fang und Russian Circles. Und Letztere warten sogar noch mit mehr Lichteffekten und einer dementsprechend optischen Show auf, wie ich dann im Nachhinein feststellen muss. Wie oft ich mir deswegen inzwischen imaginär in den eigenen Hintern gebissen habe muss ich glaube ich nicht sehr viel umfangreicher ausführen. Die Bilder kann ich aber zumindest Dank Django nachfolgend dennoch liefern.

(Band: Temple Fang)

(Band: Russian Circles)

„Rechtzeitig“ zum Auftritt der dritten Deutschen Band und vorletzten Band des diesjährigen Festivals bin ich allerdings wieder wach und vor Ort, und der Regen ist auch so gut wie vorbei. In den letzten zwei Tagen gab es sehr viele Spekulationen darüber was diese Band wohl nun für Musik macht. „Der Name lässt ja Heftiges oder Schwerlastiges vermuten“ hieß es oftmals von den Leuten, die sie noch nicht kannten. Ich wusste zumindest, dass der Name hier eher nicht Programm ist, wenngleich man sich bei dem ungewöhnlichen Duo aus Nürnberg da vermutlich gar nicht mal so sicher sein sollte, denn Zement ist eine absolute Jam-Wundertüte. Live erlebt hatte ich sie bis dato allerdings noch nicht, und so bin ich extrem gespannt, was hier jetzt gleich auf der kleinen Bühne passieren wird. Christian Büdel und Philipp Hager zelebrieren als Zement eine Neo-Kraut-Trance-Space-Noise-Psychedelic-Jam-Baustelle, wie sie kaum energetischer, treibender, verrückter und hypnotisierender sein könnte. Mit Drums, Loops, Effektgeräten, Saxophon und Gitarre erschaffen sie im wahrsten Sinne Klangkonstruktionen, welche sich zunächst in einer fast schon sedierenden Monotonität um die Gehirnwindungen schlängeln und uns Hörer und Zuschauer einspinnen in einen hypnotischen Kokon aus Rhythmus und Klangbildern, die sie dann immer stärker antreibend in eine fast schon orgasmische Extase hineinsteigern, welche in vollkommen eskalierenden Exzessen ausufern, um sich dann in fast schon sanfter Umarmung wieder zu verabschieden. Was für ein Satz…. Aber anders kann ich das kaum in Worte fassen. In ihrem fast einstündigen Set haben sie exakt zwei ganze Stücke und eine kurze Improvisation als Zugabe gespielt. Das lässt vielleicht erahnen, wie viel Zeit sich die Beiden für den jeweiligen Aufbau ihrer Klanggebäude nehmen, welche sie dann unter der Anwendung sämtlicher musikalischer Mittel in eindrucksvoller Perfektion in die Luft sprengen, um dann aus den sich sanft legenden Staubwolken wieder neue Fundamente aufzubauen. Mich zumindest lassen sie mehr als fasziniert zurück mit dem Gedanken, dass ich diese beiden „Maurer“ mit ihrem „Zement“ unbedingt noch einmal selbst auf die Bühne bringen muss.

Und diesem Drang gehe ich am Merch dann auch gleich mit einer entsprechenden Kontaktaufnahme nach. Mal schauen was sich da so für 2024 noch ergeben wird. Aber egal ob oder ob nicht, diese Band habe ich definitiv nicht das letzte Mal live gesehen.

(Band: Zement)

Und nun ist es soweit, die letzte Band dieses wunderbaren kleinen aber doch so feinen Festivals steht auf der Bühne. Mit Elder hat man dafür auch eine wirklich amtliche und würdige Band nach Beelen geholt. Viel muss man zu dieser Band auch eigentlich gar nicht mehr schreiben. Sie sind quasi DIE aktuell toangebende Band im Bereich des Progressive Rock der Neuzeit. In ihrer mittlerweile 17jährigen Bandgeschichte hat sich die Deutsch/Amerikanische Band in einem stetigen Entwicklungsmodus befunden, welche diverse Stilrichtungen von Doom, Sludge, Psychedelic, Stoner und Heavy-Rock in ihr ganz eigenes Konstrukt der Progressivität assimiliert und in einzigartigen Kompositionen zum Ausdruck bringt, die sich nicht selten in weit über 10minütigen Songs ausleben. Die teils fast schon zerbrechlich wirkenden feinsinnigen Gitarrenmelodien sind eingebettet in kraftvolle Bass- und Drum-Konstrukte, welche sich gegenseitig perfekt tragen und unterstützen.

Elder ist für mich open air immer ein genussvolles Erlebnis, dass ich nicht missen möchte. In kleinen Clubs hingegen funktionieren diese raumgreifenden epischen Songs allerdings leider gar nicht. Insofern freue ich mich in diesem Moment einmal mehr diese Brillanz hier unter freiem, nur noch leicht bewölktem Himmel erleben zu können. Ein perfekter Abschluss für ein fast perfektes Festival-Wochenende an diesem wunderbaren Ort.

 (Band: Elder)

Und so verabschieden wir uns glücklich und sehr zufrieden von diesem Ort, und bedanken uns bei den ganzen Menschen, die das hier möglich machen. In diesem Fall möchte ich mich besonders auch stellvertretend für alle Securities, Helfende, Unterstützende ganz besonders bei Rolf bedanken. „Mein“ Security am Eingang zum Backstage, der mit seinen inzwischen 74 Jahren immer noch topfit an beiden Tagen unermüdlich bei Kälte, Sonne, Wind und Regen über 12 Stunden täglich immer nett und freundlich die Stellung gehalten hat. Ohne solche Menschen sind solche Events einfach nicht machbar.

Nachfolgend noch ein paar Impressionen vom Festival.

Danke für dieses großartige kleine feine Festival, welches mit so viel Liebe und Herz geplant, organisiert und durchgeführt wird. Wir freuen uns schon wahnsinnig darauf im kommenden Jahr das 30jähriges Jubiläum mit Euch zu feiern!

Love, Peace & Rock´n Roll – Bis zum nächsten Jahr!

Abschließend ein von Herzen kommendes Danke an EUCH hier, die Ihr das alles bis zum Ende gelesen habt. Wenn es Euch gefallen hat, dann teilt diesen Bericht gern weiter.

Noch mehr Bilder und auch viele Impressionen vom diesjährigen Krach am Bach Festival findet Ihr unter www.djangofoto.de

Sam & Django

Text: Sabrina „Sam“ Vogel  –  Bilder: Volkhard „Django“ Kulisch

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