Krach am Bach 2024

02. & 03. August

Es ist das erste Wochenende im August, wenn knapp 100.000 Leute zum W:O:A pilgern, aber es gibt da eine kleine Gemeinde namens Beelen, wo sich an demselben Wochenende ein ganz besonderes Völkchen einfindet um gemeinsam den Psychedelic/Space/Stoner-Rock und Artverwandtes zu zelebrieren und zu feiern. Seit jetzt genau 29 Jahren existiert das Krach am Bach Festival in Beelen, welches mittig zwischen Bielefeld und Münster zu finden ist.

Für uns ist es erst das 3. Mal, aber wir fühlen uns bereits auf dem Weg dorthin schon heimisch. Wenn es von der Autobahn runter und über die Landstraßen durch die Dörfer geht, man Häuser und besondere Landschaften wiedererkennt, und das Festival wieder quasi unbemerkt direkt vor einem aufploppt. Wir bahnen uns unseren Weg entspannt auf den Backstage-Campground, richten uns wohnlich ein und gehen dann im Sonnenschein in Richtung Check in und Bändchenausgabe.

Hier wird es dann am Samstag- und Sonntagmorgen auch wieder das leckere Frühstück geben, was von den engagierten Helferinnen und Helfern jedes Jahr immer mit Herz und Liebe zubereitet wird. Vom belegten Brötchen, über gebackene Waffeln, Fruchtspießen und frisch gekochten Eiern von wirklich glücklich freilaufenden Hühnern bis hin zu Kaffee und Tee ist hier für nahezu jeden etwas dabei. Und das Ganze auch noch zu mehr als fairen Preisen.

Mit Bändchen und Festival-Heft geht es dann wieder zurück zum Van. Kurz noch gechillt, und dann heißt es hophop auf den Campground. Am Freitag erreichte uns nämlich noch die kurzfristige Info, dass es dort wohl einen Spontan-Auftritt einer Band außerhalb des gebuchten Festival-Line Up geben solle. Also hoch aus dem Campingstuhl und im Stechschritt in Richtung Campground. Mein Festival- & Konzert-Kumpel Torsten schreibt uns auch schon eifrig, dass es gleich losgehen würde, und ob wir es noch rechtzeitig schaffen werden. Nun ja, die Band spielt zwar schon, aber mehr als einen oder zwei Songs haben wir wohl nicht verpasst. Wir haben ja ehrlicher Weise nun keinen Headliner hier erwartet, sondern eher eine regionale Band, die es vielleicht nicht ins Line Up geschafft hat, sich aber dennoch gerne präsentieren will durch einen Spontanauftritt, aber Holla die Waldfee, was ist das? An den Campground grenzt ein Wohnhaus mit offener Garage, in und vor welcher gerade die Band Vollgas gibt, und vor der sich zunehmend mehr Menschen versammeln. High Desert Queen heißt das Quartett, welches der Menge allerfeinsten stimmgewaltigen und exzellent gespielten roughen Stoner mit doomig groovenden Einschlag entgegen feuert. Man könnte auch einfach schreiben urgewaltiger Texas-Stoner, wie ihn die Wüste nicht heißer hätte servieren können, denn die Sonne brutzelt uns gerade die Schädeldecke knusprig. 2019 haben sich High Desert Queen in Austin/Texas gegründet und haben seitdem 4 extrem amtliche Alben herausgebracht. Für uns ist es das erste Mal, dass wir die Band live erleben, und das dann auch noch quasi Auge in Auge vor einer verdammten Garage. Im Übrigen muss man ganz besonders betonen, dass der Sound mal echt auch technisch gesehen der Hammer ist. Stimmlich ist Sänger Ryan Garney eine absolute Macht und eine Art Duracell-Hase voller unbremsbarer Energie. Ich ertappe mich dabei, wie sich in meinem Kopf die Konzert-Kombination Bushfire/High Desert Queen zunehmend manifestiert, weil beide Bands einfach brachial perfekt zusammenpassen würden. Natürlich müssen die Vier am Schluss noch einmal nachlegen, und mit diesem ersten Finale des Tages ein absolutes Zeichen setzen, was wirklich nur ganz schwer noch zu toppen sein wird befürchte ich. Nach dem Auftritt werden noch schnell Kontakte getauscht, und wir lernen noch Marco kennen, der die Band spontan hierher organisiert hat, und auch das Tabernas Rock Festival in Spanien veranstaltet. (2. bis 4. Oktober 2025). Nun müssen wir uns aber sputen, denn ich bin durch und muss mich umziehen, und wir hören schon, dass El Perro bereits beim Soundcheck sind.

High Desert Queen Foto: Django-Foto

Diese Supergroup haben wir bereits 2023 beim Freak Valley Festival live erleben dürfen. Die Musiker Parker Griggs (Radio Moscow) und Dorian Sorriaux (Ex Blues Pills) sind quasi der Kern dieser Band, um welche sich weitere brillante namenhafte Musiker scharen, welche dann gemeinsam für ein musikalisches Feuerwerk der absoluten Spitzenklasse sorgen. Ihre Eröffnungsshow auch hier beim Krach am Bach Festival lässt erneut keinerlei Wünsche offen. Prog/Psy/Blues-Rock mit beeindruckenden Gitarren-Duellen, tollen groovenden Percussions, und Songs, die sich wie Wellen von Santana-Vibes bis hin zu Hendrix-Sounds bewegen, aber stets ihren vollkommen eigenständigen Charakter behalten und entfalten. Für mich als bekennende Liebhaberin von Percussions ist diese Band ohnehin stets ein Pflichttermin. An dieser Stelle möchte ich aber auch wieder einmal den Mut des KaB-Booking-Teams lobend erwähnen, die keine Skrupel haben eine derartige Band als Opener zu besetzen. Vor allen Dingen deshalb, weil die Rechnung aufgeht, denn der Platz ist satt gefüllt mit wunderbaren Menschen, denen man die Freude an diesem Festival und der Musik wie in einem offenen Buch aus dem Gesicht ablesen kann. Und so bleibt es natürlich auch nicht aus, dass wir gerade zu Beginn zwischen Musikgenuss und Begrüßungstumulten hin und her gerissen sind.

El Perro Foto: Django-Foto

Als nächstes folgen ebenfalls auf der Hauptbühne A Place To Bury Strangers. Die Alternative-Noise-Rocker aus New York City gehen leider ziemlich an mir vorbei, da mich die ersten beiden Songs nicht aus dem Backstage zurück vor die Bühne locken können, denn irgendwie kommt bei mir nur verzerrtes Geschrammel an. Ab Mitte des Auftrittes wurden die Songs für mich zwar interessanter, allerdings nicht so sehr wie die Gespräche, die ich gerade führe. Ein fataler Fehler, wie mir später bewusst wird, als ich die Storys vom Auftritt höre. Ein mit gerissenen Saiten spielender Gitarrist, welcher mit dem Rest der Band kurzerhand von der Bühne ins Publikum wechselt und dort weiterspielt. Irgendwie habe ich gerade ein Deja Vu, ist mir doch im vergangenen Jahr genau das Gleiche mit The Great Machine beim FVF passiert. Aber sei es drum, den Job Bilder zu machen hat ja Django und nicht ich. Glücklicherweise kann er das auch nach diesem Auftritt weiter tun, denn die Metallsaite hat glücklicherweise nur seine Stirn und nicht sein Auge erwischt, als sie sich gleich beim ersten Song vom Hals der Gitarre verabschiedete und ein Teil davon meine bessere Hälfte im Fotograben erwischte. Deswegen fehlen leider auch die Bilder vom Ausflug ins Publikum.

A Place to Bury Strangers Foto: Django-Foto

Nun aber wandern wir rüber zur kleinen Stage nebenan, denn dort stehen nun Psychogarden auf der Bühne, welche mir von Gabo (der Mitbegründerin des Festivals und bis heute „Hans Dampf in allen Gassen“-Energiebündel) besonders ans Herz gelegt wurden. Zwar scheint mir der Gesang zu Anfang ein wenig zu leise abgemischt, aber das pendelt sich schnell ein. Wir lieben ja diese kleine Bühne, denn hier entdeckt man immer die schönsten und buntesten Perlen im musikalischen Ozean dieses Festivals. Mit Psychogarden steht hier nun eine vierköpfige Psychedelic-Stoner Truppe aus Münster auf der Bühne, deren Auftritt ich als solide bezeichnen möchte. Es ist sicherlich keine Band, die mich in die höchsten Höhen der Begeisterung treibt, aber die ein Portfolio gut gewürzter schmackhafter Hausmannskost auf die Bühne stellen, an dem man im Grunde nichts zu meckern haben dürfte.

Psychogarden Foto: Django-Foto

Mit den Wine Lips steht die nächste Band auf der großen Bühne in den Startlöchern. Das Quartett aus Toronto/Kanada steht für eine Fusion aus Punk/Garage/Psy/Fuzz welches in der Gesamtheit für mich eine irgendwie merkwürdige Mischung aus Groove und Nasenhaare zupfen ergibt, aber vielleicht ist es auch der schmackhafte Döner, der mir gerade die Tränen in die Augen treibt. Doch im Ernst, die Band hat Millionen von Streams und Downloads, ihre Musik findet man in Video-Games und Serien, sie sind also sicherlich keine Unbekannten und auch kein unbeschriebenes Blatt, aber schlicht und ergreifend einfach nicht my Cup of Tea. Und so mümmel ich weiter an der Teigtasche auf dem Weg zurück in den Backstage, wo das nächste Gespräch nicht lange auf sich warten lässt.

Wine Lips Fotos:Django-Foto

Eben jenes Gespräch wird aber je unterbrochen, als von der kleinen Bühne die ersten Töne von Delving meine Ohren erreichen. Und exakt in dieser Sekunde passiert diese besondere Magie, die mich immer wieder so fasziniert. Ich kann mir stundenlang hervorragende Bands anschauen, wie gerade beispielsweise die Wine Lips, und es regt sich bei mir nicht mehr als ein gutgemeintes Kopfnicken oder Fußtippen. Und dann höre ich auf einmal eine Notenfolge aus wenigen Tönen und bin ultimativ sofort hellwach und fasziniert. Exakt das passiert in diesem Moment mit Delving. Wie der Rattenfänger von Hameln ziehen mich diese Töne förmlich direkt vor die Bühne, und jedweder Widerstand ist zwecklos. Mit dieser Band setzt sich Nick de Salvo neben Elder ein weiteres musikalisches Denkmal. Doch statt wie mit Elder in den unendlichen Weiten des Progressive-Rock zu schwelgen, geht er mit Delving auf die instrumentale Reise durch den Kosmos des Post- und Space-Rock eingehüllt in psychedelischem Nebel. Ich könnte jetzt, wie ich es so oft tue, die mangelnde Bühnenperformance kritisieren, denn man schaut in toternste und hochkonzentrierte Gesichter auf der Bühne, aber dafür sitzt auch jeder verdammte Ton und jede Note exakt dort, wo es einen am tiefsten trifft. Ich könnte es auch so formulieren: Mit Delving beschallt ist jede Zelle meines Körpers glücklich.

Delvin Fotos:Django-Foto

Nun gibt es eine Programmänderung, da es auf der Hauptbühne bei Black Mountain technische Schwierigkeiten gibt, die sich länger hinziehen als erwartet. Der Band fehlt ein Stromwandler, der nun erst noch mit fliegenden Fahnen Andererorts besorgt werden muss, was nach 21 Uhr auf dem Land wohl sicherlich nicht die einfachste aller Herausforderungen darstellen dürfte. Eine fatale Änderung, wie sich noch herausstellen wird.

Also wechseln somit zurück vor die kleine Bühne wo Travo aus Portugal ihren Auftritt spontan knapp 2 Stunden vorziehen. Was uns dort nun erwartet kommt vollkommen unvorbereitet über uns. Ich hatte vorher noch nie etwas von dieser Band gehört oder gesehen, doch es gibt diesen portugiesischen 4-Mann-Dampfer bereits wohl mindestens seit 2019 mit zwei Alben-Veröffentlichungen. Mit maximal groovendem Heavy-Psychedelic-Space  dürfte sich ansatzweise vielleicht beschreiben lassen, was uns hier gerade überrollt. Alleine die Gesichtsakrobatik des Sängers und Gitarristen Gonçalo Ferreira ist bereits eine Show für sich, da er mit jedem Mimik-Muskel die Noten mitzuspielen scheint, aber die Band in Gänze grooved einem mal dezent das Geschirr aus der Kombüse. Als ich vor Jahren die ersten Videos von Slift im Netz entdeckte, hätte ich sie mir exakt so live gewünscht, aber sie waren irgendwie ganz anders. Mit Travo habe ich nun exakt das bekommen, was mir dort gefehlt hat. Kraftvoll groovender Psy-Rock´n Roll, volles Pfund auf die Mütze getrommelt mit hallendem Gesang der auf eine grandiose Saiten-Bearbeitung trifft. Alles zusammen harmoniert perfekt, und insofern bleibt mir zu diesem Auftritt nur zu schreiben: Portugal nota máxima!

Travo Fotos:Django-Foto

Aber wie so oft hat etwas sehr Gutes auch leider zumeist auch eine Schattenseite, und diese folgt nun auf dem Fuße. Noch völlig euphorisch und begeistert wechseln wir vor die große Stage welche nun von Black Mountain bespielt werden soll. Und hier rächt sich nun die Spielplanänderung, denn der Auftritt der Kanadier wirkt nach Travo eher wie eine Vollbremsung bei der man von der Trägheitskraft quasi gegen die Windschutzscheibe gedrückt wird. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Band aufgrund der technischen Probleme einfach genervt ist, oder zu unentspannt, um dem Auftritt die notwendige Atmosphäre zu verabreichen. Sängerin Amber wirkt fast schon einschläfernd gelangweilt wie sie dort fast einsam auf der Bühne steht, während die anderen auch eher statisch auf ihren Positionen verharren. Mir tut es für die Band unfassbar leid, denn erst mit technischen Problemen direkt vor dem Auftritt zu kämpfen, und dann noch von einer anderen Band nahezu an die Wand gespielt zu werden muss unfassbar destruktiv sein. Das Gute allerdings ist, dass sich das Quintett dann doch noch berappelt und sich freizuspielen beginnt. Von Song zu Song wird es zunehmend besser und interessanter, sodass das zwanzigjährige Jubiläum der Band bei diesem Auftritt doch noch ein wenig zelebriert werden kann.

Black Mountain Fotos:Django-Foto

Dieser erste Festival Tag wird nun final mit Causa Sui abgeschlossen. Der dänische Viermaster, der seit nun auch fast 20 Jahren die Plattennadeln durch seine inzwischen 14 Alben tiefe Gräben ziehen lässt, ist ein leider viel zu selten gesehener Gast auf den Festival Bühnen des Landes. Wir haben diese Ausnahme-Band das letzte Mal vor genau 10 Jahren beim Freak Valley Festival 2014 erlebt. Psychedelisch atmosphärischer Space-Kraut-Rock mit einer irrsinnig künstlerischen Attitude. Sie machen es einem oftmals nicht ganz einfach, da ihre Kompositionen durchaus auch anstrengend sein können, aber einfach wäre ja auch langweilig. Hier allerdings zaubern sie eine wunderbar krautige Stimmung, welche den perfekten Abschluss dieses ersten Tages bildet. Und so begeben wir uns glücklich und zufrieden zurück zu unserem mobilen Domizil und gleiten sanft bei den letzten Tönen dieser famosen Band in wohligen Schlaf.

Causa Sui Fotos:Django-Foto

Tag zwei

beginnt erneut sonnig, wobei die Prognosen denn dann doch den einen oder anderen Schauer voraussagen. Davon wird sich hier aber niemand beirren lassen, denn im Norden ist man ohnehin wetterfest. Wir starten mit Toast, Kaffee und frischem Rührei in den Tag und freuen uns schon extrem auf die erste Band. Eigentlich wären Humulus aus Italien als Eröffnung geplant gewesen, da Deathchant aber leider absagen musste, sind die Italiener auf deren Slot vorgerückt und Splinter aus den Niederlanden sind dafür mehr oder minder spontan eingesprungen. Die vier Niederländer haben uns in diesem Jahr bereits beim Freak Valley Festival als Samstags-Opener begeistert, und so freuen wir uns schon sehr sie auch hier noch einmal live erleben zu können. Wer meinen FVF-Bericht gelesen hat oder die Band kennt weiß, dass Splinter sich aus vier Musikern von Birth Of Joy und Death Alley zusammensetzen und gemeinsam voller inbrünstiger Freude dem Glam-Rock Sound der 70er und 80er neues Leben einhauchen. Und so zelebrieren sie es auch hier erneut. Das einzige Manko ist für mich, dass es nahezu 1:1 der identische Auftritt wie beim FVF ist vom Setting und auch vom Showablauf her. Inklusive des wunderbaren Hammond/Gitarren-Soli-Duells mit Outfitwechsel bei Sänger Douwe. Und wenn man bereits beim zweiten Live-Erlebnis den „Splinter-Neulingen“ den Auftritt quasi vorhersagen kann, dann gibt das bei mir schon einen kleinen Kratzer in den B-Note. Aber dennoch ist diese Band ein wunderbarer Stimmungsmacher, von denen man sich nur zu gern anstecken lässt mitzufeiern und mitzutanzen. Vor der Bühne steppt ohnehin bereits wieder der Bär und die Harre fliegen genauso hoch, wie die Hüften kreisen.

Splinter Fotos:Django-Foto

Gut gelaunt und perfekt eingestimmt geht es dann rüber zur kleinen Bühne, welche heute von Black Helium eröffnet wird. Die Londoner existieren seit 2016 und haben sich über die Jahre von einer Vierer-Besetzung zu einem Trio reduziert. Mit den ersten beiden Songs triggern mich die Psy-Rocker irgendwie nicht wirklich. Stimmlich ist mir das Ganze auch zu dünn und irgendwie finde ich den roten Faden nicht. Ergo entscheide ich mich dann doch eher für sogenannte „Benzingespräche“ wobei ich die Band ja dennoch weiterhin gut hören kann. Und so entgeht es mir auch nicht, dass sich nach und nach dann doch durchaus sehr interessante Songstrukturen den Weg durch meine Gehörgänge bahnen, die sicherlich auch vor der Bühne sehenswert sein dürften.

Black Helium Fotos:Django-Foto

Interessanter wird es dann aber für mich wieder, als auf der Mainstage Orbitron aus Paderborn die ersten Töne erklingen lassen. Sphärische Soundgebilde, die sich musikalisch wie ein wunderbar leichter Seidenmantel um die Schultern legen und die Menge vor der Bühne nebelleicht in ferne Welten entführen. Zugegebenermaßen hätte ich jetzt nicht erwartet, dass man in einer Stadt wie Paderborn solche musikalischen Pralinen finden würde, denn sie klingen schon eher international. Eine Band, die man durchaus mal genauer im Auge behalten sollte.

Orbitron Fotos:Django-Foto

Von der Region OstWestfalenLippe springen wir nun aber endlich einmal wieder nach Frankreich rüber. Im letzten Jahr haben mich ja gleich zwei französische Bands beim Krach am Bach nahezu umgeknüppelt, und so bin ich jetzt auch wieder sehr hellhörig was uns denn dort jetzt auf der kleinen Bühne mit Gerald erwarten wird. Und was soll ich schreiben… es war mal etwas ganz anderes. Beim schreiben dieser Zeilen grüble ich bereits seit einiger Zeit darüber nach, wie man das ganze Konstrukt/Projekt beschreiben könnte. In meinem Kopf bilden sich Assoziationen wie Dyse on LSD, Hurz 2.0 aber auch musikalische Wechseljahre werden in Gesprächen als Beschreibung verwendet. Im Netz wird man dazu auch nicht eindeutig fündiger, denn hier kursieren Titulierungen a´la Musik für kaputte Aufzüge, Fake Noisy Jazzy Proto Punky Post Progressive Cinematographic Orchestra oder ganz schlicht Art-Rock. Letztendlich ist wohl irgendwie an allem etwas dran, aber nichts trifft es so richtig. Gerald ist ein musikalisches visuelles Kunstprojekt, bei dem die Musiker und Künstler quasi live Kollagen kreieren, die mal eingängig, mal jazzig abstrakt, mal noisy sind.

Gerald Fotos:Django-Foto

Irgendwie ist es faszinierend, aber bei mir bleibt immer diese kleine fiese Stimme im Hinterkopf, die so penetrant immer fragt, ob das nun ernst gemeint ist, oder schon in Richtung „Wir nehmen euch doch nur aufs Korn“ geht. Vielleicht muss man das Ganze auch einfach ein oder zweimal mehr erlebt haben, um das endgültig beurteilen zu können.

Wesentlich eingängiger und weitaus grooviger geht es nun aber mit Humulus aus Italien weiter. Dieses Trio ist ja nun bei weitem keine unbekannte Band mehr und genießt internationale Anerkennung. In ihren 12 Jahren Bandgeschichte haben sie sich eine ansehnliche Fanbase erspielt, die ihnen auch nach dem einschneidenden personellen Wechsel die Treue hält. Nach 11 Jahren den Sänger/Leadgitarristen auszuwechseln ist drastisch und kann durchaus das sofortige Ende einer Band bedeuten, wenn die Fans die Entscheidung nicht mittragen. Ganz geheilt ist dieser Einschnitt offenbar noch nicht, denn erstaunlicher Weise ist das Infield nicht so derbe voll, wie bisher an diesem und dem vergangenen Tag. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich einige entschieden haben zur Sicherheit noch einmal Regenschirm und Jacke aus den mobilen Behausungen zu holen, da sich der Himmel doch schon ein wenig in ein feuchtschwangeres Grau verfärbt. Zumindest ist das für mich die einzig plausible Erklärung, denn auch mit dem neuen Frontmann Thomas Macheroni und seiner 80er Jahre VoKuHiLa-Gedächtnisfrisur haben Humulus rein gar nichts an ihrer Qualität und Dynamik eingebüßt meiner Ansicht nach.

Humulus Fotos:Django-Foto

Von Italien geht es nun wieder zurück nach Frankreich und vor die kleine Bühne, die immer so viel Großes zu bieten hat. Und einmal mehr ist es eine französische Band, die mich auf ganzer Tonbandbreite begeistert. Karkara heißt das Trio aus Toulouse, die sich 2018/19 gegründet und seitdem drei Alben veröffentlicht haben. Von Beginn an ist ganz klar, dass hier wieder einmal etwas Besonderes auf der Bühne steht. Es grooved nicht nur, es ist einfach perfekt on Point. Eine Band, die den Fokus nicht auf den Schein, sondern auf das Sein legt. Bei manchen Songs braucht man schon einen Wagenheber um die Kinnlade wieder nach oben zu kriegen. Einziges Manko meinerseits ist, dass es mir hier und da ein wenig zu Nah an dem Sound von Tuber dran ist, was aber in diesem Fall gar nicht schlimm ist, da die Griechen sich bereits in Position für ihren Auftritt auf der Mainstage begeben. Ergo ist es eher eine perfekte Einstimmung für das was jetzt gleich folgen wird.

Karkara Fotos:Django-Foto

Die wunderbaren Griechen habe ich zwischenzeitlich auch noch Backstage getroffen, und es war mal wieder ein sehr schönes Wiedersehen. Und wer die Jungs von Tuber noch nicht live erlebt hat, sollte das definitiv nachholen, denn gerade in dieser musikalischen Galaxie gehören sie zu den Sternen, die besonders hell leuchten.

Nun geht es auch schon gleich los auf der großen Bühne, also schnell in Position bringen, denn hier will ich nichts verpassen. Doch dann passiert das für mich Unfassbare. Bisher startete jeder Tuber-Auftritt, den ich erlebt habe mit eingängigen sphärischen Phalanxen und singenden Gitarren gefolgt von treibenden Drums und alles umfassendem Bass. Hier und jetzt starten die Jungs allerdings mit einem vollkommen anderen Stil, fast schon eine Uptempo-Rocknummer, die für mich vollkommen unerwartet und ungewohnt ist und mich ansatzweise schockiert und ungläubig auf die Bühne starren lässt. WTF?? Doch direkt danach wendet sich glücklicherweise das Blatt und „meine“ Tuber sind wieder im Hier und Jetzt und laden uns alle ein auf ihre sphärische Reise durch ihre ureigenen Klangwelten. Kein Halten gab es dann bei mir als die ersten Töne von Desert Overcrowded erklingen, denn mit diesem Song haben sie mich 2015 beim Freak Valley Festival quasi als Fan verhaftet und seitdem nicht mehr freigelassen. Ja ich gebe zu bei Tuber bin ich ein klein wenig Fan-Girl. Allerdings fällt es mir auch deshalb vermutlich ein wenig schwerer als anderen, wenn die Band sich dann mal wieder anders ausprobiert, so wie bei dem ersten Song. Doch auch dieser Auftritt lässt mich einmal mehr begeistert zurück.

Tuber Fotos:Django-Foto

Viel Erholungspause wird uns aber nicht gegönnt, denn schon geht es nebenan weiter mit Madmess. Die drei wilden Portugiesen leben zwar inzwischen in London, haben aber dadurch nichts von ihrem feurigen musikalischen Temperament eingebüßt. Das Trio zelebriert den klassisch langhaarigen Heavy-Psychedelic-Rock mit wunderbar tiefer Stimme und einem exzellenten psychedelischem Groove, welcher die Köpfe nicken und die Füße mitwippen lässt. Ein rundum kritikfreier Auftritt ohne Tiefen, allerdings auch ohne herausragende Spitzen, was aber ja per sé nichts Schlechtes ist.

Madmess Fotos:Django-Foto

Für mich geht es nun mal eben wieder hinter die Bühne, kurz verschnaufen, schnacken und bevor das Frischgezapfte fertig ist noch einmal fix für kleine Ladys. Und da denkt man nichts Böses, als auf einmal der ganze Toilettenwagen anfängt zu wackeln und zu vibrieren. Ah ok, denke ich mir, da sind dann Orange Goblin wohl schon auf der Bühne. Jetzt also schnell zurück, das Pils gegriffen und ab vor die Bühne. Und hier erwartet mich dieser wunderbar derbe Vollgasrock britischer Bauart mit grollenden Vocals aus zwei Meter Körperhöhe, die keinerlei Widerspruch zulassen. Vor der Bühne geht buchstäblich der Punk ab. Es wird gepogt, getanzt, gebanged und über die Menge gesurft. Fliegende Mähnen treffen auf hochgestreckte Pommesgabel-Hände, so liebt man die Auftritte von Orange Goblin. Auch wenn sie schon eine Weile weg ist, vermisse ich dennoch die abgeschabte Haarmähne des Sängers Ben Ward schmerzlich. Doch auch mit ohne Haare ist und bleibt er noch immer eine Erscheinung. Und auch dieser Auftritt ist einmal mehr das volle Brett aus kompromisslosem Heavy-Stoner, welcher die gesamte Bandbreite der musikalischen Geschichte der Band seit ihrer Gründung 1995 bis hin zu brandneuen Songs widerspielgelt. Beide Daumen hoch!

Orange Goblin Fotos:Django-Foto

Bei den letzten Songs bin ich bereits wieder im Backstagezelt und verstricke mich in eine intensive Unterhaltung mit Gabo und einigen weiteren Ladys, die hier für einen perfekten Ablauf sorgen. Und plötzlich wird uns bewusst, dass ja längst Verstärker auf der kleinen Bühne stehen und offenbar gerade dort den Platz in Ekstase spielen. Also ganz fix aufgesprungen und ab vor die Bühne, wo es längst kein Halten mehr gibt. Was zum Henker ist das denn bitte? Da stehen zwei „Buchhalter“-Typen mittleren Alters in schwarzen Oberhemden und schwarzen Jeans an Bass und Gitarre, und ein etwas jüngerer Typ an den Drums auf der Bühne und ballern dem zum bersten gefüllten Platz eine so derbe brachiale Soundwand entgegen, die ich selten so erlebt habe. Hier herrscht absoluter Ausnahmezustand. Dieser sich unmerklich zu einem Donnerwetter historischen Ausmaßes aufbauende treibende Sound aus mit irrwitzigen Soundeffekten bestückten Bass und Gitarren in Kombination mit hypnotisch vorantreibenden Drums ist der totale Wahnsinn. Was ist das bitte für eine Band, und warum kannte ich sie bisher nicht? Jetzt weiß ich, dass Verstärker, eine Band mit Deutschem Namen und Deutschen Songtiteln aus Kentucky kommt und nahezu fast zehn Jahre unbemerkt an mir vorbei geschliddert ist. Sie graben in die Spuren von Kraan, Can, Kraftwerk und Amon Düül tiefe Furchen und katapultieren sich von dort in weltraumtiefe Sphären die man ganz grob vielleicht dem Neo-Kraut und Post-Rock zuordnen könnte, wenngleich sie dennoch nicht wirklich auch nur ansatzweise in eine dieser Kategorien passen wollen. Und während man noch in vollkommener Begeisterung und Paralysität versucht den gerade über einem hergezogenen Tornado zu verarbeiten, gehen die beiden Herren in die Knie und bearbeiten ihre Saiten und Effektgeräte, aus denen sie mit dem punktuell eindringenden Takt der Drums eine scheinbar nicht enden wollende sphärische Soundwand kreieren, die uns erahnen lässt, dass wir uns gerade inmitten des Auges des Tornados befinden, in dem gefühlt Zeit und Raum stillstehen. Und mit dem nächsten Song verlassen wir auch quasi prompt dieses Auge, denn dann folgt der Wiedereintritt in den Wirbelsturm, der alles und jeden vor der Bühne mit sich reißt. Widerstand ist zwecklos! Und so kommt es auch wie es kommen muss, und jeder weiß es intuitiv, diese Band darf nicht ohne Zugabe von der Bühne. Timetable hin oder her, da muss der Teufel einfach mal warten. Die tobende Meute brüllt und fordert so lange ohne Unterlass, bis diese drei Unfassbaren zurück auf der Bühne sind und noch einen Song zum Abschied spielen. Ich möchte nicht übertreiben, aber das war und ist monumental.

Verstärker Fotos:Django-Foto

Da dies der letzte Auftritt auf der kleinen Bühne in diesem Jahr gewesen ist möchte ich an dieser Stelle auf jeden Fall noch erwähnen, dass die wunderbar psychedelisch stimmungsvollen Visualisierungen hier, und in diesem Jahr auch auf der Hauptbühne Jahr wieder von den Licht-/ und Visualisierungskünstlern von Sektor7G aus Berlin, und zusätzlich von Melting Eye Vision und Dwavehead kreiert wurden.

Aber nun geht es zurück vor die große Bühne, denn der allerletzte Auftritt in diesem Jahr beim Krach am Bach Festival steht nun unmittelbar bevor. Und mit der epischen Theatralik von The Devil And The Almighty Blues hätte man wohl kaum einen besseren Abschluss finden können. Die düster teuflische Predigt holt uns aus dem Tornado sanft zurück auf den Boden, entschleunigt und lässt uns diese letzten Songs noch entspannt genießen, bis wir unsere Abschiedsrunde machen und begeistert mit einem lachenden und weinenden Auge langsam zurück in unser mobiles Heim schlendern.

The Devil And The Almighty Blues Fotos: Django-Foto

Was für ein Ritt waren diese zwei wunderbaren Tage zwischen wunderbaren neuen und bekannten Bands, Freunden und Bekannten und einer Masse an glücklich und friedlich feiernden Menschen. Und das Beste von allem: Jeder und jede hier tut damit etwas Gutes, egal ob gewollt oder nicht. Denn in jedem Jahr gehen die Erlöse nach Kostendeckung an viele wichtige und unverzichtbare wohltätige und gemeinnützige Projekte. Im vergangenen Jahr wurden somit fast 25.000 Euro an weit über 20 Vereine und Organisationen gespendet, die sich um eine Vielzahl von diversesten Hilfsprojekten kümmern.

Wir sagen Danke an das gesamte Krach Am Bach Team, an alle Helferinnen und Helfer, an das Frühstücksteam, die stets freundlichen Securities im Besonderen beim Backstage-Durchgang, an die Technik und mit Knutscher und Herzchen ans Booking! Wir sehen uns im nächsten Jahr zum 30sten Jubiläum!

Love, Peace & Rock´n Roll – Bis zum nächsten Jahr!

Abschließend ein von Herzen kommendes Danke an EUCH hier, die Ihr das alles bis zum Ende gelesen habt. Wenn es Euch gefallen hat, dann teilt diesen Bericht gern weiter.

Noch mehr Bilder und auch viele Impressionen vom diesjährigen Krach am Bach Festival findet Ihr unter www.djangofoto.de

Sam & Django

Text: Sabrina „Sam“ Vogel

www.samontherocks.dewww.facebook.com/dj.sam.xwww.instagram.com/dj_sam_x/

Bilder: Volkhard „Django“ Kulisch

www.djangofoto.de  – www.facebook.com/djangosfotowww.instagram.com/django_foto/

One thought on “Krach am Bach 2024”

  1. HI Sam, du hast das alles treffend zusammen gefasst. Nur bei Black Mountain muss ich was zu sagen. Die hatten einen Stromumwandler vergessen, den sie eigentlich dabei haben sollten und so musste der Christian zwischendurch nochmal nach Lünen fahren zum Backliner und den organisieren. War also nicht unsere Schuld. Aber sonst, top analysiert, mich wundert immer wie du soviele Worte dafür finden kannst. Bis zum nächsten Jahr. Das 30te ;-).

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