Ein Erlebnis-Bericht von „SAM on the Rocks“
Meinen letzten Bericht habe ich mit den Worten „Sternzeit 2019“ angefangen, und wenn ich damals schon geahnt hätte, dass nur wenige Monate später ein Alptraum nie dagewesenen Ausmaßes über uns alle hereinbricht, ich hätte mich nach dem 2019er Valley direkt in dieses Jahr gebeamt, oder zumindest solange verkrochen. Aber jetzt, drei Jahre später, geht es endlich wieder los. Am Dienstag packen wir unseren Transporter und wollen früh am Mittwochmorgen los. So war es geplant, aber irgendwie können wir nicht mehr warten, und auch die Vollsperrung auf der A45 lässt uns bereits an diesem Abend die Reise antreten, denn wer will schon zu spät kommen, nur weil man vielleicht im Stau landet. Von Bremen bis ins Valley begleitet uns dreieinhalb Stunden lang der riesige Vollmond und weist uns den Weg an unseren Sehnsuchtsort, der uns eindrucksvoll illuminiert um 2 Uhr morgens willkommen heißt. Man kann dieses unglaubliche Gefühl kaum in Worte fassen, welches uns in diesem Moment zu umarmen scheint. Seelig und voller Vorfreude fallen wir in unser Festivalbett und schlummern ein paar Stunden, bis die ersten LKW durch das Gewerbegebiet rumpeln. Es ist ja noch erst Mittwoch und hier wird noch fleißig gearbeitet. Während wir unseren ersten Kaffee schlürfen bekommen wir bereits Festival-Besuch und bekommen einen sichereren und besseren Parkplatz angeboten, was wir gerne annehmen. Was uns nachts entgangen ist, nun beim kurzen Umparken aber erschreckend auffällt: Nahezu alle Fichtenwälder rund herum auf den sanften Hügeln sind tot. Wie faserige braune Zahnstocher stehen sie abgestorben da, sofern sie noch nicht abgeholzt wurden. Was für ein erschreckend trauriger Anblick, der sich noch schlimmer offenbart, als wir einen Spaziergang zum Festival-Campground auf dem Hügel machen. Nur die Mischwälder stehen noch saftig und grün leuchtend in der bereits jetzt unermüdlich scheinenden Sonne. Oben angekommen stehen die ersten Zelte und Wohnstätten derjenigen, die ebenfalls bereits an diesem zusätzlichen Festival-Tag angereist sind. Es dürfte wohl bundesweit einer der schönsten Campgrounds sein, wenn hier die Sonne auf- und untergeht.
Hier treffen wir bereits erste Freunde und Bekannte und freuen uns gemeinsam, dass wir uns nach so langer Zeit endlich wiedersehen und gemeinsam wieder im Valley sein dürfen. Nach kurzem Plausch geht es dann wieder den Hügel hinab und zum Van, denn der Magen knurrt, und Einlass ist erst ab 16 Uhr. Mit frisch gegrilltem Vegi-Burger im Magen machen wir uns dann endlich auf den uns so heilig gewordenen Boden zu betreten. Zwar haben wir uns leider etwas zu früh gefreut, denn es gibt anscheinend technische Probleme beim Check in. Dafür treffen wir aber unter dem verheißungsvollen „Welcome to Freak Valley“ Bogen unsere „Festival-Tochter“. 2018 mit 15 haben wir sie kennengelernt, 2019 hat sie uns als Festival-Eltern „adoptiert“ und nun steht uns eine 19jährige junge Frau gegenüber. Unfassbar was drei Jahre auf der einen Seite an Veränderung ausmachen, und wie weggeblasen sie auf der anderen Seite sind, wenn man sich wieder in die Arme fallen kann. Und dann endlich öffnet sich das Tor und es geht los!
Das Freak Valley Festival 2022!
Tag 1
Beim Check in schon das erste bekannte Gesicht vom Freak-Team. Chris und sein Team legen uns traditionell die Bändchen an und begrüßen uns und alle anderen freudestrahlend. An den nicht minder lächelnden Secus vorbei spazieren wir über die altbekannte Meile, die sich quasi unverändert zeigt, als wenn das Valley nie zu Ende gewesen wäre. Nahezu dieselben Stände flankieren rechts und links an denselben Positionen den Weg in Richtung Infield, sodass es fast wie eine Zeitreise auf uns wirkt. Menschen fallen sich in die Arme, strahlen, lachen und freuen sich des Lebens, weil sie einfach wieder hier sind, weil man wieder leben darf.
Leider beginnt das Festival in diesem Jahr, wie so viele andere, mit einigen Hiobsbotschaften. Wurde zunächst die traurige Mitteilung, dass Witchcraft absagen mussten, von dem High Light gefolgt, dass dafür keine geringeren als My Sleeping Karma einspringen würden, müssen diese nun auch absagen. Matte hat böses Fieber und kann nicht spielen, was letztendlich dann auch den heiß ersehnten Gig von The Great Escape am Freitag zur Absage zwingen wird. Aber das Valley wäre nicht das Valley, wenn selbst solche kurzfristig in den Weg gefallenen Hinkelsteine schnell und effektiv aus dem Weg geräumt werden würden. Selbst, dass die erste Band des Tages noch im Stau auf der Autobahn festgekeilt steht, wird als Chance genutzt um das Lineup an diesem Tag wieder in die Spur zu bringen. Und so wird mal eben 2 Stunden vor Stagetime die Band Purple Dawn aus Köln quasi vom Arbeitsplatz weg direkt auf die Valley Bühne gebeamt. Der Rest der Bands wird einfach je einen einen Slot nach hinten geschoben und schon passt wieder alles fugenlos zusammen. Doch bevor sie endgültig auf der Bühne stehen, kommt dieser eine Moment, auf den wohl alle gewartet haben, die das Valley bereits kennen. Volker! Und als wenn kein einziger Tag vergangen wäre steht er da und spricht die fast schon magischen ersten zwei Worte unter dem Jubel der bereits jetzt schon anwesenden Gäste an diesem Mittwoch: „Liebe Freunde“ gefolgt von wie immer wenigen knappen Worten, der Ansage dieser Band und dem nicht minder traditionellen und kultigem „viel Schpasssss“ mit dem er die Bühne unter erneutem Jubel frei gibt für die erste Band nach nun fast genau drei Jahren.
Man merkt Purple Dawn kaum an, dass sie 2 Stunden vorher noch nicht einmal geahnt hätten jetzt auf dieser Bühne zu stehen und die ersten Gäste begrüßen zu dürfen. Souverän eröffnen sie den ersten von vier wunderbaren Tagen mit ihrem straighten melodischen Stoner-Sound. Die Jungs machen ihren Job wirklich gut, wenn man bedenkt unter was für einem Streß- und Adrenalin-Pegel sie gerade gestanden haben müssen, und mit The Moon Song schaffen sie es dann auch bis in die hinteren Reihen zu überzeugen. Eine Band die man sich ruhig merken kann, und denen unser Dank gebührt, dass sie den ersten Gig an diesem Tag gerettet haben.
Mit Duel soll es weiter gehen, und tatsächlich haben sie es aus dem Stau noch rechtzeitig auf die Bühne geschafft. Und dort machen sie dann auch keine Gefangenen sondern ballern feinsten texanischen Stoner durch die Amps. Staubtrocken wie die Steppenhexen überrollt uns ihr Wüstensound flankiert von wehenden psychedelischen Windböen und kultig rostigem Metal am Straßenrand. Und vor der Bühne wird man auch ähnlich heiß in der Nachmittagssonne glühend gebrutzelt. Bereits jetzt wird klar, dass hier in den kommenden Tagen einige gegrillte Hummer den Platz füllen werden, wenn die Sonne sich weiterhin genauso über die Wiederkehr des Freak Valley Festivals freut, wie wir alle hier.
Mit Beginn der nächsten Band zeigt der Feuerball am Himmel aber langsam Erbarmen und senkt sich zunehmend. Und so füllt sich der Platz vor der Bühne sichtlich mit freudestrahlenden Menschen, denn jetzt gibt es ein lang vermisstes Wiedersehen. Seit 2017 haben die New Yorker von Geezer nicht mehr live in Europa gespielt, und wurden mit Recht schmerzlich vermisst. Mit jedem einzelnen Song wird immer noch eine Schippe draufgelegt. Es rockt und grooved und jede/r Einzelne scheint spätestens jetzt zu realisieren, wie sehr solche Momente uns allen in den letzten Jahren gefehlt haben. Die Drei jonglieren zwischen Heavy- und Blues-Rock auf so eine dynamische und imposante Art, dass es ein Fest ist ihnen dabei zuzusehen. Und so geht ihr Auftritt leider viel zu schnell unter lautem Jubel zu Ende.
Band: Geezer Herkunft: New York
Es ist ein wenig Zeit sich wieder mit Kaltgetränk und dem ersten Falafel-Wrap der Saison auszustatten und weitere lang vermisste Freunde und Bekannten zu begrüßen. Ja wir alle sind etwas älter, teils etwas grauer, dicker oder dünner geworden, aber das tut der Freude keinen Abbruch, im Gegenteil. Leider fehlen am heutigen Mittwoch noch einige lang vermisste Gesichter, aber das wird sich in den kommenden Tagen sicherlich noch ändern.
Nun aber ist es Zeit sich wieder in Richtung Bühne zu begeben, denn eine meiner favourisierten Bands steht jetzt auf der Valley-Bühne. Volker hat den nicht ganz einfachen Bandnamen aber inzwischen auch perfekt drauf, und so tönt es durch die Boxen: „Liebe Freunde, und nun auf unserem diesjährigen Freak Valley Festival aus Griechenland: Villagers of Ioannia City… Viiiiel Spaß!!“
VoIC sind nach wie vor eine vollkommene Ausnahmeband. Ihre einzigartige Fusion aus heavy psychedelic Rock, griechischem Folk mit traditionellen (Kaval/Ziegenhautbagpipe) und untypischen (Klarinette) Instrumenten ist im Grunde schon besonders genug, käme dazu nicht noch die unglaubliche Stimme von Alex Karametis und die brillanten Sound-Arrangements welche sich treibend aufbauen und sich extatisch entladen.
Zugegeben, ich wäre viel lieber im Februar 2020 in Athen dabei gewesen, als sie ihr damals aktuelles Album „Age of Aquarius“ mit atemberaubenden Visualisierungen präsentiert haben, welches 2021 als Live Album „Through Space and Time“ veröffentlicht wurde; aber auch hier im Valley beweisen sie ihr Können auf beeindruckende Art und Weise. Nur Konstatinis scheint irgendwie nicht ganz auf der Höhe zu sein. Spielerisch ist er zwar an seinen zahlreichen Instrumenten am Start, aber ich persönlich vermisse seine ansonsten eigentlich fast unbändige Energie auf der Bühne. Dennoch bleiben wir selig und wehmütig aber jubelnd zurück, als die wunderbaren Griechen die Bühne verlassen.
Band: Villagers of Ioannia City Herkunft: Griechenland
Wenn ich mir rückblickend diesen Tag hätte zusammenbauen können, dann hätte ich die nächste Band ganz sicher vor den Griechen im Lineup positioniert, vielleicht sogar noch vor Geezer. Nicht weil sie schlecht wären, sondern vom Spannungsbogen des gesamten Tages dort einfach besser gepasst hätten. So hatte es die vor 18 Jahren in Vancouver/Kanada gegründete Band Black Mountain mit ihrem progressive/psychedelic-Rock leider sichtlich schwer die euphorische Welle zu reiten, welche VoIC aufgebaut haben. Unter dem ersten Song brach die Welle bei mir und lief mit sanfter Schaumkrone unspektakulär aus.
Erst mit den folgenden Songs nahm der Auftritt etwas an Fahrt auf, konnte aber leider nicht die Begeisterung zurückholen, die ich den Kanadiern gerne geschenkt hätte. Am tragischsten jedoch war es, dass ihr Auftritt nicht nur nicht dem gleißenden Licht der Griechen standhalten konnte, sondern aufgrund der nachfolgenden Band auch quasi keine Chance hatte sich relevante Ankerpunkte in meinem Gedächtnis zu sichern. Insofern hoffe ich einfach, dass ich Black Mountain noch einmal an anderer Stelle in anderer Position die Aufmerksamkeit zukommen lassen kann, die sie sicherlich verdient haben.
Black Mountain aus Kanada
Für mich blieb es somit an dieser Stelle nur ein angenehmer Soundtrack zu der beeindruckenden Visualisierung an der Halle des AWO-Gebäudes. Den gesamten Tag über fiel schon dieses große Banner mit der beeindruckenden Maske im Valley-Stil auf. Aber nun im Dunkeln wurde diese in absolut abgefahrener Art und Weise visualisiert. Einzelne Elemente schienen sich zu bewegen und veränderten sich permanent in Farbe und Optik. Eine wirklich tolle optische Bereicherung für das Festival, die ich gern stibitzt hätte.
Aber so sehr mich dieses optische Element auch vom aktuellen Auftritt der Kanadier abgelenkt hat, so wenig Beachtung konnte ich dem nur wenige Minuten später schenken, als Baroness aus den USA die Bühne zu ihrem Wohnzimmer machten.
Es ist mir ein absolutes Rätsel, wie es sein kann, dass mir diese Band bisher noch auf keiner Live-Bühne begegnet ist, und dass bei einer inzwischen 19 Jahre andauernden Bandhistorie. Die Fusion aus Jazz und Prog, Space und Noise welche John Dyer Baizley in seinem Songwriting beherrscht, wie kaum ein Zweiter, wird live allerdings seit 2017 von Gena Gleason an der Lead Gitarre auf eine Art und Weise in Szene gesetzt, die alles und jeden anderen in den Schatten stellt. Ein headbangender mega Tornado fegt hier über die Bühne. Nicht nur ich stehe phasenweise mit offenem Mund da und bestaune nicht nur das spielerische Können, sondern vor allem die unglaubliche Performance dieses Bühnenorkans, von dem sich so mancher Saiten zupfender Kerl mal satte 10 Scheiben abschneiden kann. Fliegende Lockenmähne trifft auf Metal-Posing der Königsklasse. Der Bassist auf der anderen Seite der Bühne tut mir vergleichsweise etwas leid, da er selbst in seiner leuchtend weißen Latzhose nicht einmal einen Bruchteil der Aufmerksamkeit erhaschen kann, welche Gena auf sich zieht. Nichts desto Trotz ist es das Spiel der gesamten Band, was den Sound und die Songs so besonders macht. Da kann man sich eigentlich nur dankend verneigen, vor so einem erstklassig besetzten ersten Tag im Valley!
Baroness aus Savannah
Tag 2
Nachdem letzte Nacht der Baroness Tourbus abfuhr war es den Rest der Nacht fast gespenstisch still, sodass wir eine durchaus gut durchgeschlafene Nacht hinter uns gebracht haben. Der erste Kaffee am Van wird bereits von strahlendem Sonnenschein begleitet und sich anmutende Wölkchen verdampfen wehrlos am Himmel. Einzig eine leichte Brise bringt etwas Erfrischung am Morgen des zweiten Tages im Valley. Der Wetterbericht kündigt für den übermorgigen Samstag Sahara-Hitze an, und dabei sind wir schon jetzt am glühen. Mit dem zweiten Kaffee startet der Soundcheck, dem wir hier wunderbar folgen können hinter dem Chill-out-Bereich des Geländes. Spaßige Notiz für uns selbst: Nächstes Mal Gartenschere einpacken! Dann hätten wir uns ein Guckloch freischneiden können. Aber wir wollen ja alles direkt vor Ort erleben, sonst hätten wir uns ja auch einfach den Rockpalast Livestream von Zuhause aus anschauen können. Dieser Luxus ist sicherlich für viele eine großartige Sache, aber vor Ort hatte das leider auch einige Nachteile. Dadurch, dass die Kameraleute für den Livestream natürlich einiges an Platz benötigt haben und quasi einen eigenen „Laufsteg“ vor die Bühne gebaut bekommen haben, wurde der Graben für die Presseleute und für die Securities quasi auf Null reduziert. Dies wird in den kommenden Tagen leider noch zu einigem Unmut und teilweise auch brenzligen Situationen führen, wie wir noch feststellen werden.
Aber zunächst begeben wir uns aufs Gelände, wo sich DVNE in Stellung bringen, um das Tal bis hinauf zum Campground auf dem Hügel lautstark und gewaltig aufzuwecken. Und ich möchte behaupten, dass ihnen das auch problemlos gelungen sein dürfte, denn an Spielfreude, Elan und druckvollem Sound fehlt es den Schotten absolut nicht. Eigentlich habe ich meine Hoch-Zeiten, als ich beim WOA noch shoutende und growlende Bands abgefeiert habe, ja seit längerem hinter mir gelassen, aber die 5 Jungs von DVEL holen dieses Feeling zurück. Gekonnt fusionieren sie Progressivität, Metal, Psychedelic und doomigen Stoner mit klarem Gesang und aus der tiefsten Kehle entlocktem Growling. Das ist Post-Metal, wie ich ihn auch heute noch gerne durch meine Ohrmuscheln strudeln lasse. Aber noch entscheidender ist an dieser Stelle der Band beim Spiel zuzusehen, denn sie haben richtig Spaß auf der Bühne, und das merkt man auf ganzer Linie.
DVNE aus Edinburgh
Und bevor ich es vergesse: Der Weckruf hat definitiv funktioniert, denn so voll wie heute war es so früh selten vor der Mainstage. Wobei ich an der Stelle bin, die mich in diesem Jahr leider etwas wehmütig zurücklässt. In diesem Jahr gab es leider keine Wake & Bake Stage. Die kleine aber feine Bühne, wo bereits am Vormittag Bands spielten, die man vielleicht noch nicht unbedingt auf dem Radar hatte, und die dennoch zahlreiche Gäste aufs Gelände lockten. Für uns war es immer eine Art Surprise-Bühne, für die man gern schon um zehn oder elf aufs Gelände ging. Warum sie in diesem Jahr nicht da gewesen ist müsste ich jetzt spekulieren, aber ich denke, dass es vielfältige Gründe sind. Zum einen sicherlich die Kosten, denn drei Jahre Planung, Umplanung, Unsicherheit und keine Einnahmen gehen gerade an Festival-Veranstaltern nicht spurlos vorbei. Zum anderen vermutlich der zeitliche Aufwand, denn wenn man schon 4 Tage am Stück ein derartiges Festival an den Start bringt, welches an jedem Vormittag vollkommen gereinigt werden muss, dann ist jede zusätzliche Stunde Schlaf pures Gold wert. Und als dritte Vermutung wäre da noch der aktuell wahnsinnige Personalmangel auf allen Ebenen. Da scheint es durchaus clever unnötige Ausfallquellen von vornherein zu dezimieren. Insofern bleibt mir nur zu hoffen, dass sich die Zeiten wieder schnell normalisieren und die Wake & Bake Stage wieder zurückkehren wird.
Inzwischen treffen nun auch endlich die Menschen ein, die wir am Mittwoch noch vermisst haben. Und so gibt es zunächst viele freudige Begrüßungen, zu erzählende Anekdoten und Geschichten und das Bestaunen der um sich greifenden Ergrauungen an Bärten und auf Köpfen. Parallel dazu feiert die Sonne die Wiederkehr des Freak Valley Festivals ganz offensichtlich hocherfreut mit, denn die Schattenplätze werden bereits jetzt massiv unter Beschlag genommen.
Mittlerweile stehen Supersonic Blues auch bereits der Bühne. Die drei Niederländer stehen für heavy-fuzz-psych-Blues-Rock der 60s und 70s, was ich im Grunde sehr mag. Und eigentlich bin ich auch ein Fan von diesem leicht quäkig anmutendem Gesang, wie ihn einige Sänger in diesem Sektor an den Tag legen, aber heute holen mich die Drei leider gar nicht so ab wie ich es erwartet hätte. Für mich ganz persönlich klingen zu viele Songs irgendwie zu sehr nach „schonmal woanders gehört“ und zu wenig individuell. Was aber grundsätzlich der Stimmung vor der Bühne keinen Abbruch tut. Somit habe ich eine wunderbare musikalische Begleitung genossen zu schönen Gesprächen mit viel zu lang vermissten Menschen.
Supersonic Blues aus Den Haag
Mit Kosmodome wird es dann wieder etwas progressiver. Eines kann man über dieses norwegische Duo auf jeden Fall nicht sagen, dass sie eintönig oder zu wenig individuell wären. Man kann sie stilistisch kaum in eine vorgefertigte Schublade pressen, ohne dass es an anderer Stelle vollkommen anders wieder heraus quillt. Mal atmosphärisch, mal rockig, mal krautig, mal 60s-like tänzeln sie über das musikalische Parkett. Allerdings hat dies auch den Nachteil, dass es nicht so harmonisch miteinander grooved wie es notwendig wäre. Und so wird allerorten viel zugehört, genossen, aber wenig euphorisch gefeiert und betanzt was die Norweger da zum Besten geben.
Kosmodome aus Norwegen
Zur nachfolgenden Band kann ich leider gar nicht viel berichten, da ich inzwischen so sehr in Unterhaltungen und Begrüßungen vertieft bin, dass Les Big Byrd fast gänzlich unbemerkt an mir vorbeiziehen. Im Nachhinein betrübt es mich zwar, allerdings gehören eben auch die Menschen und die Begegnungen genauso zum Valley, wie die Musik. Und was Letzteres angeht, so gibt es am heutigen Tag zumindest keinerlei Ausfälle oder Verschiebungen, und das ist eine durchaus sehr bemerkenswerte Tatsache, wenn man bedenkt, dass es in diesem Jahr kaum noch Konzerte und Festivals gibt, bei denen es keine Verschiebungen oder Ausfälle gibt…
Aber zurück ins Valley, denn jetzt entert eine Legende die Bühne. Nick Oliveri mit Mondo Generator stehen in den Startlöchern, um der langsam sinkenden Sonne erneut Feuer unterm Hintern zu machen. 1997 gründete der Ex-Kyuss Bassist die Band, dessen Name quasi daraus entstand, dass Brant Björk diesen auf den Amp Oliveris gesprayed hatte. Die Band selbst ist quasi ein Karussell aus herausragenden Musikern rund um Oliveri herum. In der Bandhistorie gaben sich inzwischen sagenhafte 10 Gitarristen und 12 Drummer die Instrumente in die Hand. Aktuell sind Mike Pygme und Michael Amster an Gitarre und Drums zu finden. Auf und vor der Bühne geht es nun das erste Mal heute richtig zur Sache. Endlich grooved und rockt es von der Bühne, es ist laut und es macht Spaß. Vor der Bühne wird es eng und es geht bereits ordentlich hin und her, vor und zurück. Hier trifft eine fette Portion Punk-Rock auf groovenden und grollenden Stoner mit einer zünftigen Prise an Noise-Rock. Einzig stimmlich könnte man noch ein wenig dran schrauben, aber das interessiert hier gerade wohl kaum jemanden. Und während der letzte Song angestimmt wird, zieht es uns zur Nahrungsaufnahme.
Mondo Generator aus den USA
Frisch gestärkt und mit neuem Kaltgetränk bestückt harren wir nun auf Atomic Bitchwax aus New Jersey. Eine Band, die mich leider so gar nicht abholt. Kraftvoll gehen sie zwar nach vorne und die Meute feiert, aber bei mir kommt das gar nicht an. Erstaunlich, mag ich doch eigentlich diesen Sound zwischen Riff-Rock, Prog und Stoner, aber irgendwie ist hier heute bei meinem Feeling der Wurm drin, so scheint es. Möglicherweise ist es aber auch eine Art musikalischer Overload nach fast drei Jahren Zwangs-Festival-Abstinenz. Also nehmen wir uns eine kurze Auszeit am Van, denn es wird tatsächlich etwas kühler, und eine leichte Jacke scheint inzwischen ganz angemessen zu sein, schließlich kommen ja noch drei Bands heute.
Atomic Bitchwax aus New Jersey
Bei Toundra sind wir aber wieder vor der Bühne. Die Spanier wurden quasi im Siegener Vortex entdeckt, und haben sich von dort aus in ganz Deutschland einen Namen gemacht. Die daraus entstandene Freundschaft machen die vier Jungs aus und um Madrid heute besonders deutlich, denn alle tragen solidarisch Shirts mit dem Vortex-Schriftzug. Die Progressive-Instumentalisten zeigen aber auch musikalisch, dass sie auf dieses Festival gehören, und das ohne jedes Wenn und Aber. Sie erschaffen genau die musikalische Atmosphäre, die mir an diesem Tag bisher gefehlt zu haben scheint. Sphärisch aufbauende Klangwelten, sich ins Hirn schraubende Riffs, singende Gitarrensounds taktisch eingerahmt und flankiert von Drums und Bass.
Es begeistert mich immer wieder, wie Bands es schaffen ohne ein Wort traumhafte Geschichten und Bilder in anderen Köpfen entstehen zu lassen. Somit bin ich wieder voll uns ganz im Valley-Modus und strahle glückselig vor mich hin, wie fast alle anderen hier auch.
Toundra aus Spanien
Bei manchen Bands fragt man sich woher der Name eigentlich kommt, bei der nächsten Band allerdings nicht, denn hier ist der Name absolut und nicht ignorierbar Programm. Endless Boogie sind wie sie heißen ein nicht enden wollendes Feuerwerk aus treibendem und wild gejammten psychedelic Kraut/Blues-Rock, oder eben auch Boogie, wenn man so will. Ekstatische Jams werden eingebettet in hypnotische Rythmen, treibende Beats über denen Gitarrensolis tanzen wie Nordpolarlichter am Himmel. Bluesiger Bottleneck trifft auf Wha Wha Sound und abgefahren krautigen Saitenzauber. Einzig mit dem Gesang hadere ich, aber es kann ja einfach nicht immer alles perfekt sein. Und als man sich daran gewöhnt hat, dass der Boogie niemals enden wird, war er dann auf einmal vorbei. Die jubelnde Meute will mehr, aber der Zeitplan lässt es nicht zu.
Tages-Finale ist angesagt, die letzte Band an diesem zweiten Festival-Tag scharrt mit den Füßen. Wir bleiben in den USA, reisen aber von New York nach Chicago. Ob dort Pelikane heimisch sind weiß ich nicht, aber hier auf dieser Bühne im Valley sind Pelican es definitiv an diesem Abend! Mit einem mörderisch sphärischen Intro startet diese Ausnahmeband ihren Auftritt, welches in doomig angehauchte Riffs mündet und die Menge mitnimmt auf eine traumhafte Berg- und Talfahrt brillanter Instrumentalität. Brummende Basssaiten sind wie das doomig wogende Meer, über dem eingängig treibende Riffs wie Sturmgewalten hinweg ziehen. Teils mathematisch progressiv, teils geradlinig straight, dann wieder gefolgt von psychedelischen Klangwelten, die vom Doublebass über die See getrieben werden.
Ein Feuerwerk, welches mich vom ersten Ton an entfesselt und nur noch losgelöst tanzen lässt. Was für ein Auftritt, was für eine Band. Besser hätte Tag 2 nicht enden können. Beseelt lauschen wir noch dem Abschlusssong und kehren zu unserem Van zurück.
Pelican aus Chicago
Tag 3
Es ist Freitagmorgen, der dritte Tag dieses Festivals und somit Halbzeit.
Hinter uns röhrt die Kehrmaschine auf dem Gelände und brummt uns fast schon heimelig aus dem Schlaf. Also raus aus dem Van und den Gaskocher angeworfen, denn ohne Kaffee geht gar nichts. Mit dem ersten Schluck unseres Lebenselexiers erklingen recht merkwürdig anmutende Töne von der Bühne, wo jemand ganz Besonderes gerade seinen Soundcheck beginnt. Gefühlt habe ich diesen lustigen freundlichen Typ in jedem Jahr auf dem Valley irgendwo gesehen, entweder auf der Bühne, oder auf dem Gelände. Elias, der backenbärtige Amerikaner ist ein Künstler wie er im Buche steht. Er ist ein Multiinstrumentalist, Songwriter, Schauspieler, Musik-Lehrer und sicher noch einiges mehr, was mir bis jetzt verborgen geblieben ist. Als Schlagzeuger von Black Lung und The Flying Eyes war er bereits häufiger im Valley zu Gast, nun aber kommt er erstmalig mit seinem ganz eigenen neuen Projekt: Revvnant. Und dieses neue Projekt verursacht gerade recht krude Töne auf der Bühne, die erahnen lassen, dass Elias wohl hier nicht am Schlagzeug sitzen wird, sondern sich vollkommen anderen Instrumenten eher elektronischer Bauart bedient. Unsere Neugier ist geweckt. Der heutige Freitag soll temperaturtechnisch noch ertragbar bleiben, bevor am Finaltag die Saharahitze angekündigt ist, was diesen Tag hoffentlich nicht so transpirativ machen wird.
Leider erreicht uns auf dem Gelände angekommen auch gleich die traurige aber bereits erwartete Nachricht, dass Matte noch immer fiebrig darnieder liegt, und The Great Escape somit am heutigen Tag ausfallen wird. Als Ersatz sollen Glasgow Coma Scale spielen, von denen ich zugegebenermaßen bisher nicht wirklich Notiz genommen hatte, aber dazu später mehr. Entspannt unterm Zeltdach sitzend freuen wir uns als Elias mit seinem sein Keyboarder und Drummer die Bühne betreten. Sie starten mit einer super gechillten Singer-Songwriter-Nummer, quasi perfekt als Start in diesen dritten Tag. Doch weit gefehlt, denn was die drei auf der Bühne aus den Sythies, Keys, Drums, Fuzz-Pedals und weiteren Instrumenten bis hin zur Ukulele herausholen baut sich zu einem regelrechten Sonnensturm auf. Nur gehört würde man eine 6-köpfige Band auf der Bühne vermuten, es drückt, es grooved, es rockt! Dazu kommt Elias eindrucksvolle Stimme, welche sich perfekt in den imposanten Sound eingliedert. 3 Mann wie eine Rock´n Roll Dampflok, welche Song um Song stetig mehr Fahrt aufnimmt. Ungewöhnlich sicherlich, aber es gefällt und wird an diesem Tag nicht die letzte interessante Überraschung bleiben.
Mit frischen Elektrolyten bewaffnet erwarten wir die nächste Band. Djiin aus Frankreich bauen sich auf der Bühne auf. 68er Hippie-Outfit, Blümchen-Walle-Walle-Kleid, Harfe…. Na da wissen wir ja so ziemlich was da kommen wird. Klassischer Hippie-Blues-Rock mit psychedelisch krautiger Attitude… soweit mein Vorurteil. Aber was dann passiert ist die bereits zweite große Überraschung an diesem Tag. Die vierköpfige Band mit Chloé Panhaleux an der stimmlichen Front hat sich 2017 gegründet, in den letzten 5 Jahren aber bereits 3 Alben veröffentlicht. Für mich ist diese Band dennoch komplettes Neuland. Sie starten wie erwartet sehr psychedelisch krautig entspannt in ihren ersten Song. Doch die Steigerung kommt, und noch immer wie prognostiziert dem Outfit entsprechend, aber zunehmend mit einer deutlich okkulteren Sabbath Note. Und was dann folgt lässt tatsächlich an einen Hexensabbath denken. Beim zweiten Song und einem weiteren sphärischen Intro rocken die drei Franzosen an ihren Instrumenten auf einmal los, als wenn man sie tatsächlich unter Strom gesetzt hätte. Die bis dahin zart und filligran anmutende Chloé setzt auf einmal das Mikro an und ein Vulkan bricht aus. Wie eine Naturgewalt growlt und shoutet sie los, brüllt das Publikum regelrecht an, während sie sich auf den Boden stürzt und fast schon prophetisch choral und kehlig ihre Message eindringlich über die Menge vor der Bühne ergießt. Das kam mehr als unerwartet, und lies in dem Moment nicht nur mich sondern zahlreiche andere mit offenen Augen und Mündern in Richtung Bühne starren. Und während wir noch nach unserer Fassung suchen, stellt sie sich an die Harfe und stimmt die liebsten und feinsinnigsten Töne an, als wenn nichts gewesen wäre. Und so gestaltet sich dann auch der Rest dieses Spektakels, welches Djiin hier zum Besten geben.
Zwischen verspielten krautigen Parts und rockigem Hexentanz ist quasi alles dabei. Wir sind unerwartet begeistert, und so scheint es auch dem Rest der Menge zu ergehen. Eine Band, die man ganz offensichtlich live gesehen haben muss.
Djiin aus Frankreich
Inzwischen füllt sich der Platz deutlich früher als an den beiden vorigen Tagen. Es ist erfreulich, dass die Sonne heute zwar deutlich am Start ist, aber die Bühne jetzt noch im Schatten steht, sonst wäre von der nächsten Band sicher tatsächlich nur ein toter klebriger Haufen Karamell übrig geblieben. Swedish Death Candy machen sich bereit. Die italienisch-koreanisch-britische Band mit Wohnsitz in London hat allerdings kaum etwas mit Schweden oder totbringendem Zuckerzeug am Hut, sondern haben sich selbsternannt auf die Reise in Richtung Acid- und Psychedelic-Rock begeben, auf der jeder für passend erachtete Musikstil assimiliert wird. Eines wird aber schnell klar, der Fokus liegt eindeutig auf Groove und eingängigen Melodien und Riffs. Die Jungs machen Spaß und es rockt in jeder Faser und in jedem Muskel. Die psychedelischen Breaks schaffen die passenden Pausen um mal durchzuatmen. Und so wird es vor der Bühne zunehmend voller und voller. Die Menge feiert, tanzt und bejubelt Song um Song. Swedish Death Candy sind die Band dieser Stunde und hätten kaum perfekter im Lineup positioniert werden können. Verschwitzte aber vor allem glückliche Gesichter überall, und diese Freude potenziert sich mit jedem weiteren Lächeln.
Swedish Death Candy aus Italien/Korea/Groß Britannien
Exakt in diesem Moment kommt ein weiteres ganz besonderes Lächeln hinzu, denn ich entdecke die leuchtend grünen Haare von Mephi, der Bassistin von Daily Thompson, die um 18 Uhr erstmals auf der Valley Bühne stehen werden. Die Begrüßung könnte man in diesem Moment fast „Dortmund Heart Candy“ nennen, denn erst vor wenigen Wochen haben sie ihren Tourauftakt bei uns in Oldenburg im Cadillac gefeiert. Eine Stunde zuvor hat mich Schlagzeuger Bubblz schon strahlend begrüßt, der erst frisch dabei ist, aber zu dieser Band passt wie der oft genannte Arsch auf Eimer. Doch dazu später mehr, denn nun sollten ja eigentlich The Great Escape für einen ganz besonderen Moment im Valley sorgen, welcher ja aber leider krankheitsbedingt abgesagt werden musste.
Angekündigt sind nun als Ersatz Glasgow Coma Scale. Mir bis dahin unverständlicher Weise unbekannt, existiert das aus Frankfurt am Main stammende Trio bereits seit 2011. Unverständlicher Weise vor allem deshalb, weil sie exakt in dem Genre Zuhause sind, welches bei mir in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus gerückt ist: instrumental Space- und Post-Rock.
Deshalb bin ich natürlich besonders gespannt, was dort nun von der Bühne musikalisch zu uns herunter wabern wird. Und ich werde nicht enttäuscht, im Gegenteil. Vom ersten Ton an schaffen sie eine unglaubliche Atmosphäre an Klangkonstrukten, sich aufbauenden Wellen, die sich mal sanft, mal kraftvoll brechen bevor sie sich erneut formieren. Saftig satte Basslinien wühlen sich unter das fast zu singen scheinende effektvolle Gitarrenspiel, verschmelzen miteinander mal getrieben mal sanftmütig eingerahmt vom feinsinnig getakteten Schlagzeugspiel von Helmes Bode an den Drums. Meine fliegenden Haare können sich nicht irren, und so bleibt mir nur ein begeistertes Fazit, dass diese Band ein absolut würdiger Ersatz ist, der sich zu keinem Zeitpunkt verstecken muss.
Glasgow Coma Scale aus Frankfurt am Main
Nach dem Auftritt wird noch fix der Kontakt zur Band hergestellt, bevor es dann an den Auftritt geht, auf den ich mich besonders freue. Im Ox-Fanzine wurden sie als „Glücklichste Band der Welt“ betitelt, was passender kaum sein könnte. Wenn Spielfreude einen Bandnamen hat, dann wohl definitiv Daily Thompson. 2013 in Dortmund von Gitarrist und Mastermind Dany Zaremba und Happy-Bassistin Mephi Lalakakis gegründet, blicken sie trotz einiger Personalwechsel an den Drums auf eine beachtlich kreative Schaffenszeit zurück. Fünf bemerkenswerte Alben haben sie seit 2014 veröffentlicht, von welchem jedes einzelne eine stetige Entwicklung vorweist, ohne vorangegangenes in den Schatten zu stellen.
Man sollte hier nie den Fehler machen sie in eine Schublade pressen zu wollen, denn es gibt keine in die sie passen würden. Musikalisch sind sie geradezu ein Fleischwolf in dem unzählige Musikstile fast schon zermahlen und neu zusammengefügt werden. Nahezu jeder Kritiker beschreibt sie fast vollkommen anders, entdeckt andere stilistische Kombinationen, sodass in den Rezensionen ihrer Alben von Vergleichen zu Pixies, White Stripes bis zu Black Rebel Motocycle Club ebenso die Rede ist, wie von stilistischen Beschreibungen a´la Space-, Stoner-, Indie-, Alternative-, Fuzz-, Punk-, Blues-, Psychedelic-Rock bis hin zu Grunge. Ich begnüge mich an dieser Stelle mit der Aussage, dass es eine fantastische Rock-Band ist, die man live erlebt haben muss. Und genau das werden wir nun hier, denn sie bringen sich auf der Bühne in Stellung, gemeinsam mit ihrer neuen Gute Laune-Maschine Bubblz an den Drums. Die ersten Töne sind sanft und gemächlich, fast spacig und bauen sich auch ebenso entspannt über eine lange Zeit auf, in der man aber trotz den fast feenhaften Gesangspassagen von Mephi schon erahnen kann, dass da noch was lauert, was raus muss. Und so soll es auch kommen als Dany mit seiner unfassbar grungigen Stimme in den Song einstimmt nimmt die Nummer kräftig Fahrt auf. Mephi kreiselt nicht minder grinsend über die Bühne mit ihrem Bass, wie Bubblz hinter seiner Trommelbude. Das waren schon mal eindrucksvolle erste 10 Minuten, die ordentlich bejubelt werden. Mit dem zweiten Song habe ich so meine Schwierigkeiten warm zu werden am Anfang, aber auch dieser reißt ab der Mitte wieder Mauern ein, was mich erneut beeindruckt, wie wandelbar diese Band innerhalb ihrer Songs mit einander arbeitet. Die ersten Töne die Dany dann auf seiner Zigarrenkisten-Klampfe anstimmt kommen fast Bluegrass/Country-mäßig daher, werden aber innerhalb kürzester Zeit vom muskulös sattem Zusammenspiel der drei „Zehnkämpfer“ zu einer Bluesrockwalze, welches selbst den frühen ZZ Top gut zu Gesicht gestanden hätte. Und es hagelt einen Jubel und Applaus, welcher auch das letzte Krümelchen Unsicherheit in den Augen der Drei ins Nirvana schickt. So geht es losgelöst weiter und mit jedem Song steigert sich die Stimmung auf und vor der Bühne in höchste Höhen. Während Dany trotz dessen weiter hochkonzentriert an den Gitarrensaiten agiert und aus voller Seele singt, wirbelt Mephi am Bass breit grinsend über die Bühne und versprüht ihre unbändige Lebensfreude wie ein Geysir in alle Richtungen bis in die letzten Reihen auf dem Gelände. Ich kann es nicht anders sagen, aber nach diesen zwei alptraumhaften Pandemie-Jahren wünsche ich mir nichts mehr, als dass das nächste Virus welches die Welt umspannt Mephis ansteckendes glückseliges Lächeln ist. Ich habe selten einen Menschen gesehen, bei dem die pure Lebensfreude aus jeder einzelnen Pore herausstrahlt wie eine Supernova. Und das in Kombination mit dieser Musik und diesem Sound ist an Perfektion kaum zu überbieten. Von rotzig bis feinfühlig, von wild bis emotional aber immer aus vollster Überzeugung, besser könnte es zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort absolut nicht sein! Aber leider ist der Auftritt viel zu schnell vorbei, der dafür aber frenetisch bejubelt wird.
Perfekter Zeitpunkt für ein erfrischendes Kaltgetränk, dieses Mal aber kaltes klares Wasser aus der Versorgungsstation am Chill-out Hügel. Damit geht’s dann aber auch gleich zurück vor die Bühne, denn am heutigen Tag gönnen uns die Chef-Booker vom Valley aber auch gar keine Pause. Nach Daily Thompson geht’s nahtlos grandios weiter mit Green Lung aus Groß Britannien. Der 2017 in London gegründete Fünfer hat bisher zwei Longplayer auf den Markt gebracht.
Wurden sie anfänglich noch als Purple/Sabbath-Klon etwas stiefmütterlich behandelt, so haben sie mit ihrem zweiten Album deutlich ihre Eigenständigkeit in den Fokus gesetzt. Okkulter Heavy-Rock mit Stoner Touch und einer gepfefferten Prise Psychedelic-Rock. Auf der Bühne angekommen legen sie auch gleich auf ganzer Linie los. Die Orgelsounds liefern sich ein Battle mit den Gitarrenriffs, während beide von den Drums vorangetrieben werden. Fast schon hymnenartige Songs bringen die Meute vor der Bühne ultimativ zum Mitsingen. Fäuste werden ebenso im Takt in die Luft gereckt, wie mit den Köpfen konform genickt wird. Stimmlich assoziiere ich Frontmann Tom Templar das eine ums andere Mal irgendwie ein wenig mit Wolfmother, dann wieder in Richtung Deep Purple und dann wieder ganz anders. Die Vergleiche mit den alten Legenden mögen berechtigt sein, wenngleich es moderner klingt und an der einen oder anderen Stelle auch eine Rival Sons Attitude durchscheinen mag. Aber egal welche Band und welche Namen man auch heraushören will, es ist und bleibt Green Lung. Und Green Lung rocken volles Pfund. Dieser Tag macht so einen derben Spaß, dass mir die Mundwinkel vom Grinsen fast mehr weh tun, als meine Nackenmuskeln. Zum Ende des Auftrittes beginnt sich auch langsam die Sonne zu senken.
Green Lung aus London
Auch am dritten Tag ist jetzt wieder Falafel-Wrap-Zeit. Man könnte zwar einige der anderen reichhaltigen Alternativen von Fleisch bis Vegan, von süß bis würzig scharf wählen, aber mich treibt es immer wieder zum Falafel, weil es einfach zu lecker und frisch ist. Wohlig gestärkt sind wir jetzt gespannt auf Leech. Erneut eine Band, die ich heute zum ersten Mal sehen und hören werde. Vor der Bühne versammelt sich eine wilde Mischung von Leuten, was meine musikalischen Erwartungen in eine vollkommen falsche Richtung lenkt. Turbostaat- und Turbo-Jugend-Patches, Motörhead-Shirts und eine Menge unlesbare Holzhaufen-Bandnamen lassen heftiges und lautes vermuten, doch auch hier kommt es erneut vollkommen anders. Für mich begeisternd anders, denn es wird zum zweiten Mal am heutigen Tag psychedelisch, spacig und sphärisch melodisch. Die fünf Schweizer Vollblutinstrumentalisten laden uns ein auf einen hypnotischen Adlerflug durch traumhafte Landschaften, durch Wolkenberge und über sanft wogende kristallklare Bergseen so scheint es. Einige mögen es langweilig finden, für mich ist es pure Magie. Besonders hervorzuheben ist, dass ich seit langer Zeit erstmals wieder bewusst ein echtes Xylophon auf der Bühne zum Einsatz kommen sehe.
Es gibt sicherlich nicht viele Bands, die mit einem solchen Instrument auf einem Rock-Festival agieren, und dabei ist der Klang gerade hier das Ausrufezeichen, welches die perfekten Akzente setzt. Nach gefühlt 6 Stunden Vollgas in einem aktiven Vulkan ist diese Band wie ein erfrischender lauwarmer Sommerregen. Einfach pures genießen, treibenlassen und durchatmen. Und so wie mir scheint es dem Gro der Anwesenden auch zu gehen, denn die Schweizer werden ordentlich bejubelt.
Leech aus der Schweiz
Aber für diejenigen, die mehr Druck auf dem Kessel brauchen wird es heute ja noch ordentlich was geben. Angefangen mit dem nächsten Programmpunkt. Waren gerade für die komplexen Melodiekonstrukte noch 5 Musiker notwendig, so scheinen jetzt nur zwei notwendig zu sein.
Ein etwas schräger Bühnenaufbau wie mir scheint. Ein Drumset halb links auf der Bühne, davor an der Bühnenkante noch einmal eine Bassdrum und vorne mittig ein Mikroständer. Hm… Vor der Bühne wird es mächtig kuschelig. Auch wenn dieser Tag noch nicht der heißeste im Valley gewesen ist, so waren es dann doch schon an die 27 Grad, wenn nicht mehr, und viel nachgelassen haben die Temperaturen noch nicht.
Und vor uns auf der Bühne steht jetzt ein wilder Typ dick und fett eingepackt in eine schwere Lederjacke und einer Wollmütze auf dem Kopf. Einzig die zerrissene Jeanshose deutet darauf hin, dass es nicht gerade tiefster Winter ist bei Jordan Cook von Reignwolf auf der Bühne. Joseph an den Drums kommt deutlich leichter bekleidet daher. Ich fange allein bei dem puren Anblick schon wieder an zu schwitzen. Jeder andere wäre in so einer Verpackung vermutlich kollabiert, aber nicht dieser Typ! Mit dem ersten Griff in die Saiten der Gitarre bricht das Inferno los. Aus allen Boxen schreit und schirrt es, die Verzerrer sind auf Maximum eingestellt. Jordan fällt wie eine unbändige Naturgewalt über die Bühne her, lässt seine Gitarre den wohl abgefahrensten Noise-Rock der Geschichte zelebrieren. Er springt auf die vordere Bassdrum und reißt die Gitarre hoch, springt runter, spielt die Drum und die Gitarre, wirbelt rüber zum Mikro und seine ebenfalls vollkommen verzerrte Stimme schallt über den Platz. Und Wumms ist der erste Song auch schon quasi vorbei, doch bevor der frenetische Jubel ansetzen kann und ich meine Kinnlade versuche wieder vom Boden abzukratzen, dreht der Kerl weiter durch. Er turnt nach hinten zu den Drums singt durch seine Gitarrensaiten während er diese händisch bearbeitet. Irgendwann kommt er auf den Trichter, dass es voll blöd ist, wenn Joseph so weit hinten ist mit den Drums. Und ohne Vorwarnung fängt er an das verkabelte Drumset vom Riser zu zerren um es nach vorne an die Bühnenkante zu befördern. Joseph und ein Techniker stolpern hinterher und versuchen schnellstmöglich alles in Position zu bringen, bevor das Equipment noch bleibenden Schaden nimmt. Der Moment ist noch nicht ganz rum, da steht Jordan auch schon vor der Bühne auf den Bassboxen und mit einem Fuß auf der Absperrung. In meinem Kopf drängt sich die Erinnerung an den Auftritt von Mammoth Mammoth vor ein paar Jahren im Valley auf, als Sänger Mikey Tucker gleich mehrfach die Bühne sprunghaft in Richtung Publikum verließ und sich dabei nicht nur eine blutende Schramme zuzog. Und heute gibt es nicht einmal einen richtigen Graben und auch keinen Platz für Security oder hinterher hetzende Techniker. Glücklicherweise bleiben alle von derartigen Ausbrüchen verschont, und Jordan begnügt sich damit zwischen Bässen und Bühne herumzuwirbeln. Für die Kameraleute vom Rockpalast sicherlich auch ein kleiner Panikmoment, der wohl nicht so gut ankam. Zumindest gibt es anscheinend keinerlei Streams oder Aufzeichnungen von diesem Auftritt. Aber zurück zu Mr. Master of Desaster on Stage. Inzwischen hat er sich nach und nach seiner mannigfaltigen Oberbekleidung größtenteils entledigt. Und das war nicht nur die schwere Lederjacke, wie ich anmerken möchte. Nach dieser kam ein Hoodie zum Vorschein, gefolgt von einem Sweater und dem übrig gebliebenen Shirt. Mit jedem abgelegten Kleidungsstück dreht er auf der Bühne allerdings immer noch mehr auf. Es scheint fast so, als wenn die Klamotten eine Art Anker dargestellt haben, damit dieser Orkan nicht vollkommen entfesselt wird und alles und jeden mit sich reißt. Die Meute vor der Bühne wirbelt vollkommen mit, es wird gepogt und gesprungen und erste Crowdsurfer machen die Runde. Ein wahres Fest für die Fotographen, hagelt es doch quasi spektakuläre Bilder im Sekundentakt. Müsste man nur nicht permanent über und untereinander weg Klettern und sich die Waden grün und blau stoßen an den Stufen der Absperrungen.
Aber wie es mit einem Orkan eben so ist, so schnell, wie er über einen hereinbricht, so schnell verschwindet er wieder, allerdings nicht ohne noch mindestens noch einen Beckenständer mit sich zu reißen. Ob das nun musikalische Brillanz war? Sicherlich nicht, aber ne fette Rock´n Roll Show mit allem drum und dran auf jeden Fall. Reignwolf dürfte wohl somit in die Geschichte der beeindruckendsten Auftritte beim Freak Valley eingehen. Und so selig wie ich nach Leech gewesen bin, so selig schaut mich Django an, denn seine Speicherkarten in den Kameras dürften glühen.
Das hätte jetzt im Grunde schon für ein Tagesfinale gereicht nach diesem langen großartigen Tag, doch eine Band kommt noch. Und leider zieht es sich bis dahin etwas, weil der voran gegangene Orkan etwas früher vorbei gewesen zu sein scheint, als geplant. Doch die zahlreichen diesem Auftritt folgenden Gespräche bei dem einen oder anderen Getränk ließen die Zeit doch relativ schnell vergehen. Da erklingt auch schon das so geliebte und gefeierte „Liebe Freunde“ ein letztes Mal an diesem Tag um mit Red Fang eine absolute Legende anzusagen. Gegründet im Jahr 2005 bringen sie zwar „erst“ 17 Jahre Bandgeschichte mit fünf Alben auf die Waage, aber die haben es in sich. Unzählige Auftritte, Touren, Festivals weltweit machten diese Band zu einem Live-Garant, wenn es um Heavy-Stoner geht. So auch hier und heute. Sie mögen optisch ein wenig in die Jahre gekommen sein, spielerisch aber keineswegs. Mit Power bügeln sie voller Energie den typischen Red Fang Sound durch die PA, dass Lemmy seine Freude daran gehabt hätte. Teils mit Hackengas, teils schwer und doomig bringen sie die Menge vor der Bühne zum Höhepunkt dieses Tages. Das ist Rock in Reinkultur, ohne Schnörkel und ohne Schnick Schnack, einfach gerade auf die Zwölf.
Red Fang aus Portland
Wir verlassen langsam unseren angestammten Platz um diesen Moment auch noch einmal bildlich von ganz hinten einzufangen. Es ist unglaublich was für ein Anblick das ist, selten war es so unfassbar voll vor der Bühne. Zumindest scheint es eine gefühlte Ewigkeit her zu sein, dass es uns so bewusst gewesen ist, wie viele Menschen hier gemeinsam diesen Ort zum besten Ort der Welt machen. Mit diesem Gedanken lauschen wir noch dem eigentlich letzten Song und dem nicht enden wollenden Jubel und schlendern in Richtung Van. Dort angekommen verhallt gerade die Zugabe des bereits dritten Tages, und als Wolfgang – der nicht minder legendäre Festival-Dj – in diesem Moment The End von den Doors spielt steigt bereits jetzt die Wehmut in mir hoch. Am Donnerstag dachte ich noch, dass vier Tage vielleicht ein wenig viel sind nach drei Jahren ohne Festival, aber nun will ich, dass es am besten nie mehr aufhört. Mit diesem Gedanken und einer ersten Träne im Augenwinkel schlummere ich langsam weg.
Tag 4 – Freak Valley meets Mordor.
Heute soll er sein, der heißeste Tag des Jahres, und er weiß sich auch entsprechend anzukündigen, denn bereits in den frühen Morgenstunden beginnt man zu verstehen, wie sich Vampire fühlen müssen, wenn sie von Sonnenstrahlen berührt werden. Dennoch geht auch an diesem Tag nichts ohne den obligatorischen heißen Kaffee am Morgen. Die Klamotten werden auf ein Minimum reduziert und blanke Haut mit LSF50 nahtlos versiegelt. Um Punkt 14 Uhr eröffnen Madmess aus Portugal diesen letzten Festival Tag. Der erste Song startet recht gechillt, nimmt dann aber nach und nach immer mehr Fahrt auf und findet in einen eingängigen Groove, der die sich bereits jetzt schwitzend vor der Bühne einfindenden Gäste zum Wogen und Nicken ermuntert. Mehr ist aber auch fast nicht drin, denn selbst der leiseste Windhauch fühlt sich an, wie aus einem Heißluftfön. Unbeirrt davon nehmen Madmess dennoch immer mehr Fahrt auf und das Tempo steigt zunehmend, wie die Temperaturen. Selbst die vermeintlich Kühlung versprechenden Tropfen des am Bühnengraben angebrachten Rasensprengers verdampfen größtenteils in der sengenden Hitze noch bevor sie auf die glühenden Körper davor treffen. Und dennoch wird zunehmend getanzt, denn die Jungs machen auf der Bühne einen verdammt guten Job.
Madmess aus Portugal
Danach allerdings wird überall die Flucht angetreten und jeder noch so kleine Schatten-Fleck belagert, wie die Rettungsboote der Titanic. Für mich ist eine deratige Hitze schon immer Gift gewesen, und somit ziehe ich mich zu netten Gesprächen mit wunderbaren Menschen im rettenden Schatten zurück, und lasse damit auch drei sicherlich großartige Bands zur reinen Untermalung werden. Ein Sorry geht somit raus an IAH, Slomatics und Psychlona. Ein paar Bilder von den Bands hat Django aber zumindest schießen können, die wir nicht unterschlagen wollen.
Slowmatics aus Nord Irland
Psychlona aus Groß Britannien
Einige Becher Wasser und Radler später, und einem an einen Spießroutenlauf erinnerndem Lauf von Schatten zu Schatten um die (kühlen) stationären sanitären Anlagen des AWO-Gebäudes aufzusuchen, wird es dann aber glücklicherweise ein oder zwei Grad „kühler“, und die Schattenfläche vor der Bühne größer. Und so geht es vor die Bühne als Temple Fang diese betreten. Was für eine Band. Obwohl sie noch nicht einen Ton gespielt haben, und nur an ihren Instrumenten stehen, haben diese Jungs eine Bühnenpräsenz, die ihresgleichen sucht. Und das bei einer Band, die sich quasi erst 2020 gegründet hat. Auf den ersten Blick vermutet man von den Herren eher tief groovig grollendes Handwerk der etwas metallischeren Art, doch weit gefehlt. Bereits mit dem ersten Ton war klar, diese Reise geht in Sphären die noch nie ein Mensch vorher betreten hat. Wie in einem Strudel zieht uns jede einzelne gespielte Note tiefer in den Temple Fang Bann, und so fliegen Schweißtropfen und Haare gleichermaßen in der noch immer Hochofen artigen Hitze des Vorabends. Eine grandiose harmonische Melange aus fast zauberhaften Melodien, die sich durch den Untergrund wühlenden Rock-Bulldozer ihren Weg in unsere Ohren schrauben um dort fest verankert zu bleiben. Temple Fang hat sich in diesem Jahr für mich auf jeden Fall einen Platz in meinen Top 5 im Valley erspielt.
Temple Fang aus Amsterdam
Und während der Feuerball am Himmel langsam zu verglühen scheint macht sich The Midnight Ghost Train auf der Bühne bereit den Part des Schürmeisters zu übernehmen. Nach der frenetisch bejubelten Ansage durch unseren geliebten Volker prügeln die Jungs aus Kansas kompromisslos jede psychedelische Note vom Platz und befeuern die stundenlang von oben gegrillte Masse nun von vorne mit einem nicht minder glühend heißem Feuerwerk aus groovigstem straighten Stoner- & Heavy Rock. Die grollend kernige Stimme des Sängers lässt hier ebenfalls keinen Widerspruch gelten somit ist nun vor der Bühne Hackengas angesagt. Die Menge drängt nach vorn, die Fäuste hochgereckt, die Haare fliegen, dass Lemmy seine Freude daran gehabt hätte. Der Kessel kocht und brodelt, als wenn es kein Morgen gibt…. Was es ja im Grunde auch nicht gibt, denn morgen ist das Valley 2022 bereits Geschichte. Bei dem Gedanken werde ich bereits jetzt wehmütig, vor allem, weil sich die ersten Freunde verabschieden müssen. Mit dem letzten Ton von Midnight Ghost Train wird somit noch ein letztes Kaltgetränk geholt, ein letztes Mal Falafel gegessen und die ersten Verabschiedungstränen verdrückt.
The Mdnight Ghost Train aus Kansas
Aber es ist ja noch nicht vorbei, denn drei Bands kommen noch. Die erste ist Elder, die wir erst vor wenigen Wochen in Bremen im Tower gesehen haben, wo wir die wunderbaren Fuzzerati als Vorband entdecken durften. Zum Konzert in Bremen verliere ich ansonsten aber besser keine Worte, was damit verdeutlicht, dass Elder mir auf großen Open Air Bühnen wesentlich lieber sind, da sich hier die klangliche Differenziertheit wesentlich besser in Szene setzen lässt.
Es gibt eben Bands, die funktionieren nur auf Platte, oder nur im Club, oder nur auf großen mächtigen Open Air Bühnen. Und bei Elder würde ich immer entweder Platte oder Open Air wählen. Somit ist dieser Auftritt im Valley wieder einfach nur wunderbar. Im Grunde muss ich zu Elder auch nicht mehr viel schreiben, gelten sie schließlich als eine der meistbeachteten und vermutlich auch einflussreichsten Bands dieser Zeit im Bereich progressive-psychedelic-heavy Stoner. Und somit lassen wir einfach mal Bilder sprechen.
Nach einem fulminant bejubelten Abgang richtet sich nun die vorletzte Band des letzten Abends häuslich auf der Bühne ein. High on Fire aus den USA stehen auf dem Spielplan. Nur wenige Monate nach der Auflösung von Sleep steigt High on Fire als neuer Phönix aus der Asche, so denkt man sich. Aber ausgerechnet diese Band gibt mir so gar nichts. In meinen Ohren kam irgendwie nur undifferenziertes lautes Geholze an, was mir gerade jetzt in den letzten wenigen Stunden vollkommen die Stimmung verhagelt. Dennoch halte ich es durch und nutze die Zeit für weitere Verabschiedungen, letzte Blicke und festzuhaltende Momente.
High On Fire aus den USA
Glücklicherweise steht jetzt aber noch der finale Headliner auf der Bühne. Mit Fu Manchu bin ich wieder schnell versöhnt und streiche die letzte Band aus meinem Gedächtnis. Mit einem derart legendären Headliner übertrifft sich die Riege der Rock Freaks einmal mehr selbst. Mit einer über 30jährigen Bandgeschichte und über 12 Alben gehören Fu Manchu zu den wohl richtungsweisesten, einflußreichsten und erfolgreichsten Bands im Bereich des Stoner aller Zeiten. Wer nun glaubt, dass die Herren womöglich inzwischen in die Jahre gekommen sein könnten, der wird hier eindrucksvoll eines Besseren belehrt. Die Kalifornier stellen noch immer so ziemlich alles und jeden in den Schatten, der ihren Weg zu kreuzen versucht. Ein finaler Auftritt, welcher nach drei Jahren Freak Valley Entzug wohl kaum Wünsche offen lässt.
Als nach dem sicherlich bis nach Holland hörbaren Jubel die Band von der Bühne abgeht, die Verabschiedungszeremonie beginnt und die letzten Gäste die Bühne erstürmen, gehen wir in diesem Jahr ein letztes Mal vorbei an der Bühne und dem FOH, vorbei an der Falafel-Garage, dem Merch-Hangar und den so lieb gewordenen Ständen, bedanken uns bei der am Tor Spalier stehenden Security und dem Sanitätsdienst. Mit einem glücklichen und einem weinenden Auge schlafen wir ein.
Das Freak Valley Festival 2022 ist nun vorbei, aber dafür war es eines der wohl mit emotionalsten, heißesten, überraschendsten, längsten und wiedersehens-freudigsten aller Zeiten. Wir möchten Danke sagen an alle Bands, allen großen und kleinen Helfer*innen, Standbetreiber*innen, Securities, dem Rettungsdienst, dem Kids-Valley, dem unfassbar süßen Ehepaar, was sich so unermüdlich und grandios um die Indoor-Sanitäranlagen gekümmert hat, und ganz ganz besonders bei den Rock-Freaks, die so lange sämtliche Schwierigkeiten, Höhen und Tiefen in den zwei Pandemie-Jahren bewältigt und vor allem durchgehalten haben! Ihr seid die Besten! <3
Und abschließend ein von Herzen kommendes Danke an EUCH hier, die Ihr das alles bis zum Ende gelesen habt. Wenn es Euch gefallen hat, dann teilt diesen Bericht gern weiter.
Noch mehr Bilder und auch viele Impressionen vom diesjährigen Freak Valley Festival findet Ihr unter www.djangofoto.de
Sam & Django
Text: Sabrina „Sam“ Vogel – www.samontherocks.de – www.facebook.com/dj.sam.x
Bilder: Volkhard „Django“ Kulisch – www.djangofoto.de – www.facebook.com/djangosfoto